Verlorene Eier
scheint etwas enttäuscht zu sein, dass ich es erwähne. »Na ja, ich wollte Ihnen den Buddha schenken und so. Auf der Website Ihres Verlags stand, dass Sie heute hier sind …«
»Sie sind mir nachgefahren?«
Sie setzt eine gespielt unschuldige Miene auf. »Muss ich wohl.«
»Aber wie sind Sie …«
»Wir sind mit dem Auto gekommen. Wir machen … eine Art längeren Urlaub, wenn man so will.«
»Natürlich freue ich mich sehr darüber, Sie wiederzusehen, Amber, aber …«
Ich halte abrupt inne. Mir fällt kein einziger Grund ein, weshalb ich mich nicht über ihr unerwartetes Auftauchen freuen sollte.
»Aber eines wundert mich doch ein wenig«, fahre ich fort.
Die Art, wie sie fragend den Kopf schief legt, schickt den Lachs in meinem Magen in die nächste Runde.
»Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen erzählt zu haben, in welchem Hotel …«
Amber lächelt. »Es stand auf dem Schirm Ihres Mannes.«
»Meines Mannes?«
»Dieser große Typ mit dem hellen Anzug. Der Sie begleitet hat.«
Genau in diesem Augenblick beschließt ein Speicheltropfen, in den falschen Kanal zu sickern.
»Er ist mein Agent, meine Liebe«, krächze ich nach einem scheinbar endlosen Hustenanfall.
»Wirklich? Tut mir leid.«
Natürlich! An dem Abend der Lesung im Eighth Avenue Books hat es in Strömen geregnet, und Gerald hatte sich vom Concierge einen der Gratisschirme mit dem Hotellogo darauf geben lassen. Aber warum hatte sie sich ein solches Detail gemerkt? Sie ist schlauer, als ich dachte … oder abgedrehter.
»Erzählen Sie mir ein bisschen von sich, meine Liebe.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen …« Während sie nachdenkt, macht sie etwas unsagbar Anziehendes mit ihren Lippen. »Was möchten Sie denn gern wissen?«
»Nun ja … was machen Sie zum Beispiel beruflich?«
»Ich? Ich bin so eine Art Schauspielerin.«
Darauf hätte ich vielleicht kommen können. »Was haben Sie denn schon gemacht?«
»Ach, nur kleine Shows. Völlig unwichtiges Zeug. Kindervorstellungen. Kellertheater. Einmal einen Werbespot für Handcreme. Aus irgendeinem Grund haben ihnen meine Hände gefallen.«
Sie hat tatsächlich schöne Hände mit langen, schlanken Fingern. Es kostet mich gewaltige Mühe, einen mit extremem Einsatz von Händen verbundenen Gedanken beiseitezuschieben.
»Ihre Kette gefällt mir«, wechselt sie unvermittelt das Thema und zeigt auf Keiths Rauchquarz-Schmuckstück.
»Danke, meine Liebe. Sie war ein Geschenk.«
»Von Ihrem Mann?«
»Nein. Von einem lieben Freund.«
»Einem Mann?«
»Ja. Na ja, eigentlich nicht«, korrigiere ich mich bei der Erinnerung an Kiki bei unserem skurrilen Abschiedsessen in Marylebone.
Amber scheint großes Interesse an meinem Verhältnis zum anderen Geschlecht zu haben. Vielleicht sollte ich ihr ja die Story von Angelas lange gehüteter Traurigkeit auftischen. Aber vorher muss ich ihr noch ein Kompliment im Gegenzug machen. (Frauen mögen positive Kommentare über ihr Äußeres, wie wir alle inzwischen wissen.) Der Daumenring ist zu ausgeflippt, und die Puma-Sonnenbrille hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Ihre Beine … wahrscheinlich keine gute Idee.
»Amber. Das ist ein schöner Name«, sage ich schließlich.
»Ich habe ihn wegen meiner bernsteinfarbenen Augen bekommen.«
»Wussten Sie, dass es in den Vierzigern einen Film und auch einen Roman namens Amber gab? Er galt damals als ziemlich extravagant.«
Soweit ich mich erinnere, handelte er von einer Mätresse im 17. Jahrhundert, die sich kreuz und quer durch das London der Stuart-Restauration schlief, aber ich kann mir nicht vorstellen, inwiefern dieses Detail unser Gespräch weiter vorantreiben sollte. Es entsteht eine kurze Pause. Schließlich hole ich den Buddha aus meiner Handtasche und stelle ihn zwischen uns auf den Tisch.
»So einen habe ich noch nie gesehen. Er ist ziemlich …« Fett , liegt mir auf der Zunge. »Er sieht ein wenig wie ein Zwerg aus.«
»Meiner spricht sogar mit mir.« Oje. »Wenn ich deprimiert bin und keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, schaue ich ihn an, und dann sagt er lauter vernünftige Sachen zu mir. Seine Stimme klingt ein wenig wie … ich will Sie nicht beleidigen, Angela … ein wenig wie Ihre.«
»Britisch, meinen Sie?«
»Ruhig. Beschwichtigend. Meine beste Freundin hat ihn mir geschenkt, nachdem …« Ihre Stimme verklingt. »In dieser Zeit habe ich angefangen, Ihre Bücher zu lesen.«
»In einer schwierigen Lebensphase.«
Nachdenklich kaut sie auf ihrer
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