Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
von der Decke tropfte. Muffig und faulig roch es in der Zelle. Auf dem kaltfeuchten Boden sitzend, das nass gewordene Stroh neben sich betrachtend, horchte der Gefangene auf diese einzigen Laute. Nicht weil er das Gespräch der Wächter erlauschen wollte, sondern um sich gewiss zu sein, das nichts Außergewöhnliches sich anbahnte. Nebenbei überlegte er krampfhaft nach einen Ausweg aus dieser misslichen Lage. Sein prüfender Blick blieb auf den Gitterstäben haften. Unmöglich, ohne ein Hilfsmittel konnte er nicht einmal das Schloss knacken. Alles was er dafür benötigte, war in seinem Rucksack und der war ihm,wie alles andere, abgenommen worden. Man hatte ihm nur die Stoffunterbekleidung gelassen, die wie das Stroh langsam aber sicher die Nässe aufsaugte und ihn frieren ließ.
Lutek knurrte in sich hinein. Diese erneute Misere erinnerte ihn schmerzlich an die Tage in den Kerkern von Val Nosid, der Hauptstadt Osgosais. Der Vorfall von Malaines Verrat hatte ihm damals das Letzte bisschen an jugendliche Naivität ausgetrieben. Sie hatte dafür gesorgt, dass man ihn zum Verräter stempelte. Manchmal, da gab er Unbekümmertheit vor. Vielleicht um sich selbst die verlorenen jungen Jahre zu erhalten.
Vergessen und verdrängen wollte er diese Dinge der Bestrafung durch Peitschenhiebe, glühende Metallstangen und andere Foltergeräte. Allein davon zu erzählen, würde bereits normale Bürger in Ohnmacht verfallen lassen. Alles hatte er ertragen, vergessen konnte er es nicht, das musste er zum wiederholten Male feststellen. Letztlich sah Lutek diese strafende Tortur in Form von Schmerz und Erniedrigung nicht als auferlegte Sühne für seinen angeblichen Hochverrat. Er sah es für sich als Ahndung für ein weitaus einschneidendes Vergehen. Er hatte der falschen Frau vertraut.
Zimperlich war man nicht gegenüber Verrätern. Man verschonte ihn sicherlich vor vielen anderen Foltermöglichkeiten. Andere hatten dieses Glück nicht. Das Resultat an diesen Unglücklichen jedoch führte man ihm vor. Zerschnittene und verstümmelte Leiber von Menschen, die sich eines banalen Verbrechens schuldig gemacht hatten. Bilder, die ihn noch jetzt quälten. Doch dabei blieb es nicht allein. Seine Schinder demütigten ihn, wo und wie sie nur konnten. Dass er ein Mann war, war völlig egal. Vor den Augen anderer Wachen wurde er geschändet. Die gebührende Aufmerksamkeit für einen Hochverräter nannten sie es.
Um all das zu überstehen und seinen Geist zu schützen, hatte er angefangen, sich einzuigeln. Die Umstände das Malaine mit ihm brach, half ihm dabei. Sie betäubten seine Sinne und zerstörten beinahe vollständig das Vertrauen in die Menschen. Lutek wurde speiübel bei dem Gedanken, das er einst das Lager in Liebe und leidenschaftlicher Hingabe mit diesem verräterischen Weibsbild namens Malaine geteilt hatte.
Dass er dennoch damals hatte ausbrechen können, hatte er der Ausbildung seiner Meisterin und Geliebten Malaine zu verdanken. Sie erkannte in ihm die Gabe der Verführung und lehrte ihm, diese effektiv einzusetzen. Frauen waren hierbei die einfachsten Opfer.
Der nachfolgende Gedanke gefiel ihm deshalb ganz und gar nicht. Vermutlich aber war es der einzige Weg um sich zu befreien. Schon einmal hatte es ihn in die Freiheit geführt.
Seine Augen glitten musternden Blickes über seinen Bewacher, der lustlos wenige Schritte vor der Zelle auf einem Hocker saß. Rücken und Haupt lehnten gegen die hinter ihm befindliche Wand. Dann und wann spähte er zu Lutek. Vor allem, wenn er glaubte er würde es nicht bemerken. Es war perfekt. Sicher, dieser Kerl würde für eine Frau weitaus öfter ein Auge riskieren. Doch nach den Blicken zu urteilen, schien er bei seiner unverhohlenen Begierde keinen Unterschied zu den Geschlechtern zu machen. Viele seines Geschlechtes, ob gerade aus dem Knabenalter entwachsen oder greise Lüstlinge, machten sich keinen Hehl daraus ihre angestauten Bedürfnisse entladen zu wollen. Natürlich waren es zumeist Frauen oder gar Mädchen, denen sie ihre Manneskraft unter Beweis stellen wollten. Von denen, die es zu seinem Geschlecht zog, konnte er nicht viel anderes nachsagen: Lutek rümpfte die Nase.
Das war nicht gerade seine Spezialität, auch wenn er solchem Treiben aus anderweitigen Interessen beigewohnt hatte. Kurz seufzte er auf. Es musste sein.
Leichtfüßig stellte er sich auf die Beine und schlenderte zu der Gittertür hinüber. Wieder musterte er den Wachmann, während er obszön an seinem klammen
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