Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
dabei wie er leise Zahlen vor sich hinmurmelte.
Monearl schüttelte vor Unglauben sein Haupt
»Ich bin entsetzt. Ich kann kaum glauben, dass San-Hüter dies getan haben sollen.«
»Hüter tun was immer sie für notwendig halten, um die Anderen aufzuhalten. Wenn dies bedeutet ein Dorf niederzubrennen, dann sei es so«, erklärte Jeamy. »Zugegeben: Nicht alle handeln auf diese Weise. Aber manche sehen darin den letzten Ausweg. Ich selbst muss mir …«
Aufgrund dieser Worte hielt Belothar abrupt in seinem Lauf an und starrte zu Jeamy hinüber, die aufseufzte.
»Ich selbst muss mir eingestehen«, fuhr sie fort. »Dass es nicht gut für Ithnamena aussah. Vermutlich hätten wir kaum mehr Leute retten können. Es ist nicht festzustellen, wie viele der San-Hüter, die wir festsetzten, dazu beitrugen.«
Jeamy presste ihre Lippen aufeinander, blickte zu Boden, um dann trotzig das Kinn anzuheben. Die Angelegenheit war brisant. Diese Hüter zu verurteilen, könnte Misstrauen unter den anderen wecken. Derzeit galt es, den König aus alldem herauszuhalten.
»Ich vermute, dass vielleicht mehr Menschen zu retten gewesen wären, hätten sie die Stadt nicht abgeriegelt und wir schneller hineingekommen wären. Andererseits hätte es die Gefahr erhöht, dass die Brut ausbricht und das gesamte Feudaltum überschwemmt. Letztendlich wäre alles möglich gewesen. Beweisen können wir nichts. Ich muss mich für meine Brüder und Schwestern entschuldigen.«
Belothar platzte der Kragen über die wahnwitzigen Versuche von Entschuldigungen. »Seid ihr wahnsinnig? Jeder andere Hüter mit einem Funken Anstand und Ehre im Leib hätte etwas getan. Diese hatten nichts davon«, fauchte er wütend auf. Wie so oft ließ er gleich darauf resigniert die Schultern hängen. »Auch, wenn es ... unvermeidlich gewesen wäre.«
Innerlich zerrissen war der junge König, was Jeamy nicht weiter verwunderte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er kein Wort von dem was er jetzt wusste, geglaubt. Dieser Belothar vor ihr war ein anderer. Dem früheren Ich des Königs war die Hüterin aus Osgosai tatsächlich nie wirklich begegnet. Denn bereits bei ihrer ersten Begegnung hatte sie Zweifel in seinem Herzen gespürt. Wobei es mehr denn eindeutig war, dass er bis vor Kurzem zu seinen Kameraden gestanden hatte. Loyal, ergeben und diszipliniert, jedoch unwillig die moralisch verwerflichen Entscheidungen tragen zu wollen. Solche Entscheidungen, die sie, Jeamy selbst hatte treffen müssen. Wer einmal bei dem Orden der San-Hüter aufgenommen war, der wirkte in deren Sinne. Idealisten gingen in ihren Reihen unter.
»Euer Majestät! Ihr habt nicht viel Ahnung über die Hüter. Im ersten Krieg gegen die verdorbenen des Bösen ...«
»Oh,nennt das Kind ruhig beim Namen: Der erste Aufmarsch«, unterbrach sie harsch der König.
»Es gibt nur unklare Aufzeichnungen aus dieser Zeit«, gab Jeamy unbeirrt bekannt. »Doch in Andeutungen geht hervor, dass die Hälfte der Opfer auf das Konto unserer eigenen Leute gehen. Gleich ob Soldaten der Reiche oder San-Hüter. Um eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern, taten sie alles. Manche nutzten die Gunst der Stunde und zogen marodierend durch die Lande. Denkt ihr ernsthaft, dieser Krieg sei einzig ein Kampf der Anderen gegen alle Völker in Panera gewesen?«
Jeamy atmete tief durch. Schmerzhaft erinnerte sie sich an die vergangenen Jahre in der Bruderschaft. »Vergesst eure Gutenachtgeschichten von Mut und edlen Taten. Die meiste Zeit haben wir Menschen uns gegenseitig dahingeschlachtet. Und glaubt nicht, die Hüter wären anders. Ihr wisst selbst ... der Hunger, dieser unstillbare Hunger.« Fest den jungen König in die Augen fassend, trat Jeamy einige Schritte auf ihn zu. Innerlich beherrschend wollte sie dem von den Erkenntnissen der vergangenen Tage geschundenen Belothar eine mütterliche Umarmung schenken. Es gelang ihr, einen Rest an Haltung zu wahren.
»Dieser Hunger ... er ist grauenhaft. Ihr ward nicht lange genug ein San-Hüter, um das wissen zu können.« Sie hielt kurz inne und suchte nach passenden Worten. »Er verlangt nach Blut, nach Gewalt und nach ... unsäglichen Taten. Einige können ihn beherrschen, aber ... wenn die Zeiten schlecht wurden, wenn die Felder keine ausreichende Ernte einbrachten und das Vieh nicht alle nähren konnte ... dann« Erneut stockte sie. »Selbst normal lebende Menschen können sich gegeneinander wenden.«
Beschämt wandte sie sich von Belothar ab. Sie konnte und wollte dieses Thema nicht weiter
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