Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
der Götter niederließ.
»Wir verzeichnen Erfolge! Jedoch ebenso Rückschläge. Alles geschieht so wie wir uns daran erinnern können«, erklärte Deirdre. »Zumindest soweit es meine Erinnerung zulässt. Diesen Saal habe ich anders in Erinnerung. Ich schätze, das ist der Preis für meinen gewählten Pfad!«
Der Göttliche gönnte sich ein feines Lächeln. »Dies ist nicht derselbe Thronsaal, Nyddriem. Er war einst anders.«
»Ich habe vieles vergessen. Unter anderem, dass du nicht allein in der Gegenwart ... zugegen bist«, grinste Deirdre. »Das muss seltsam sein!«
»Für einen Sterblichen gewiss!«
Mit einem Kreischen machte der große Adler neben seinem Thron auf sich aufmerksam. Der Göttliche drehte sich zu dem Tier hin, strich ihm mit dem Finger zärtlich über das Gefieder. »Flieg ... und berichte!«, flüsterte er.
Der Raubvogel breitete seine Schwingen aus und erhob sich in die Luft. Kurz darauf leuchtete des Schöpfers Begleiter auf. Seine Kontur verschwamm und stattdessen erschienen zwei nachtschwarze Artgenossen, die krächzend hinauf in den grüntrüben Himmel flatterten. Bald schon waren die Raben aus seinem Blickfeld verschwunden. Er aber sah durch ihre Augen und betrachtete die Welt aus deren Perspektive.
»Was ist dein Begehr?«, suchte der göttliche Vater in Erfahrung zu bringen. „Warum bist du hier?“
»Warum ich hier bin? Diese Frage kannst nur du beantworten. Mehr als das interessiert es mich, weshalb du zu mir sprichst. Soweit ich mich erinnern kann, hast du mich davor gewarnt, dass ich den Großteil meines Wissens verlieren würde, wenn ich die Reise antrete.«
Der Hüne nickte. Seine Warnung von einst sollte eigentlich verinnerlicht sein, doch Deirdre wählte den Pfad des umgekehrten Alters. Ihre Mutter hatte wenig Begeisterung gezeigt, schließlich war dies kein einfaches Unterfangen. Denn sie musste dieses neue Leben auf sich nehmen, um Erfolg zu haben.
»Wir sind alle Wanderer, wobei ein Sterblicher, der sich auf diese Reise begibt, und rückwärts altert, das verliert was er besaß. Er wird erst wiedererlangen was ihm gehörte, wenn er sich dem Punkt nähert, von dem er seine Reise aus begonnen hat.«
»Also muss ich warten!«, stellte Deirdre verdrossen fest.
»Dass was du vergessen hast, wird dir wieder einfallen«, beruhigte der Allvater. »Du hast deinen Pfad mit Absicht auf diese Art beschritten, um nichts zu gefährden. Deine erneute Geburt, das Vergessen deiner Erinnerung …«
»Ah! Vergesst nicht in eurer Aufzählung die wahre Herkunft«, ertönte eine Stimme, bei deren Klang sich Deirdre ruckartig aufsetzte. Gleichwohl blitzte Zornesfeuer in den Augen des Göttlichen auf. Dort am Fuße der Treppe stand jener, den er nicht gerne in seiner Nähe wusste.
In den dunklen Augen des unerwünschten Besuchers funkelte ein Ausdruck von immerwährenden Triumphes. Den Mund zu einem gehässigen verzogen, die Arme vor der Brust verschränkt, verharrte er wie eine Statue.
Die markanten Züge, die einfallenden Wangen und die stechenden Augen mussten wahrlich mit einem Meißel in die Rohform eines Gesichtes geschnitzt worden sein.
»Göttlicher Schöpfer«, begrüßte der drahtige Fremde im verächtlichen Ton den Höchsten.
»Belial«, grollte der Angesprochene den Namen eher ausspeiend, denn mit den Lippen formend. »Was willst du hier?«
»Nun … ich möchte lediglich einen Blick auf eine meiner wertvollsten Investitionen werfen.« Der Fremde blickte mit einem Lächeln, dem ein Hauch spöttischer Überheblichkeit beigemengt war, zu Deirdre. »Des Weiteren ... «. Sein Gesicht verdüsterte sich. »Karmastes Verrat geht uns alle an. Nicht allein dich und Panera. Uns alle! Meine Kinder mit eingeschlossen.« Deirdre schreckte hoch. Die Anwesenden im Raum der Tafelrunde wandten ihr verwirrt und neugierig die Köpfe zu.
»Verzeiht ... ich bin vermutlich eingenickt«, stammelte die Magierin mit abwinkender Geste. Sie musterte kritisch Torran der sich unvermittelt zu seiner Tochter hinabbeugte und ihr ins Ohr tuschelte. Sebylls Gesicht wurde tiefernst. Zögerlich nickte sie leicht.
Diese Gryponwesen wussten viel. Vielleicht mehr als sie selbst und weit mehr als alle Anwesenden hier, die sich entgeistert anschauten. Belothars Züge hingegen sahen argwöhnisch aus, sinnierte Deirdre. Ihr war bewusst, dass ihm der Umstand nicht gefiel, dass sie eine Blutmagierin war. Und sie war weit mehr als es ihm zusagen würde. Dummerweise wusste sie selbst nicht, was es sein sollte. Wie der Allvater schon
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