Vermächtnis des Schweigens (German Edition)
Alles wird gut. Geh zurück und warte dort auf mich.“ Josh macht einen vorsichtigen Rückwärtsschritt.
„Nein! Du bleibst genau da, wo du bist“, ruft der große Junge. Joshua blinzelt ein paar Mal schnell und zögert nur eine Sekunde, dann rast er in den rückwärtigen Teil des Ladens. Der große Dieb macht Ansätze, ihm hinterherzulaufen, und Claire fängt sofort an, die Leiter herunterzuklettern, da spürt sie, wie sie unter ihr zu schwanken beginnt.
Die Scharniere der Leiter geben unter der plötzlichen Bewegung nach, und Claire verliert den Halt. Es ist kein tiefer Sturz – sie stand nicht sehr weit oben, vielleicht auf ein Meter fünfzig Höhe –, und sie versucht, sich im Fallen zu drehen, sodass sie nicht flach auf den Rücken stürzt. Sie hat immer darüber gelacht, wenn Menschen beschrieben, dass in solchen Momenten die Zeit langsamer zu vergehen scheint, hatte es als Streich abgetan, den einem das Gehirn spielt. Aber es stimmt tatsächlich. Während ihres Sturzes fallen ihr eine Menge Einzelheiten auf.
Sie schaut den größeren Dieb an, der sich entschieden hat, dass Joshua es nicht wert ist, gejagt zu werden. „Komm schon“, ruft der andere Junge nervös. Nur dass es in ihren Ohren wie „Koooooommschoooooooooon“ klingt. Langsam und gedehnt wie Toffee. Er hat Angst, das kann Claire in seinen Augen lesen. Er kann nicht älter als fünfzehn sein, denkt Claire und fragt sich, ob die Mütter der beiden wissen, was ihre Söhne so treiben. „Lass uns hier verschwinden!“, ruft er, und dann eilen sie zur Tür. Sie gehen. Gott sei Dank. Und alles läuft wieder in normaler Geschwindigkeit ab.
Claires rechte Schulter kommt zuerst auf dem Boden auf. Schmerz explodiert in ihrem Arm. Dann schlägt ihr Kopf auf, und ein warmes gelbes Licht blitzt hinter ihren Lidern auf. Sie hört den größeren Jungen von der Tür aus rufen: „Leg auf! Leg das Telefon auf!“
Dann hört sie seine Stimme, leise und zögerlich. „Sie haben Mama zum Fallen gebracht“, sagt Joshua zitternd und verängstigt ins Telefon. „Sie haben das Geld genommen“, fügt er atemlos hinzu.
„Lauf!“ Claire versucht zu schreien, aber durch den Aufprall ist die ganze Luft aus ihren Lungen gepresst worden.
„Leg den verfickten Hörer auf!“, stößt der Dieb zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Claire fängt an, über den Boden zu Joshua zu robben; mit den Armen zieht sie sich vorwärts. Der Schmerz in ihrer Schulter und ihrem Kopf muss hinter dem Wunsch, zu ihrem Sohn zu kommen, zurückstehen. „Lauf“, keucht sie verzweifelt.
Joshua lässt das Telefon los; es fällt zu Boden, doch anstatt wegzulaufen, geht er zu seiner Mutter und lässt sich neben ihr auf das Parkett sinken. Claire hört eine Sirene in der Ferne und in ihrem Ohr Joshuas panischen Atem. Die Diebe hören die Sirenen auch und laufen schnell weg.
„Es ist okay, Joshua“, versichert Claire ihrem Sohn schwach. „Alles okay, mein Schatz.“ Er sitzt im Schneidersitz neben ihr. Seine Finger umklammern ihr Handgelenk so fest, als ob er Angst hat, sie würde jeden Moment davonfliegen. Der Schmerz in ihrer Schulter und das Pochen in ihrem Kopf drehen Claire den Magen um, ihr kommt Galle hoch. Sie dreht das Gesicht zurSeite, weg von Joshua, und übergibt sich. Sie hört ihn schluchzen und spürt seinen zitternden Körper an ihrem, aber er hält immer noch ihr Handgelenk umklammert, verstärkt sogar den Griff. „Nicht weinen, Joshua“, flüstert Claire. Tränen fließen ihr über die Wangen. „Bitte weine nicht.“ Endlich kommt auch Truman zu ihnen, stupst Claires Füße mit seiner feuchten Nase an, setzt sich, und zu dritt warten sie darauf, dass Hilfe kommt.
Erst als die Ambulanz eintrifft und die Rettungssanitäter Joshua versichern, dass sie da sind, um zu helfen, löst er seine Finger und hinterlässt fünf perfekt runde, rote Abdrücke auf ihrem Handgelenk. „Es ist okay, Josh“, erzählt Claire ihm wieder und wieder.
„Einer der Polizisten wird bei Ihrem Sohn bleiben, bis Ihr Ehemann kommt“, verspricht der Rettungssanitäter Claire. „Sie sind ganz schön schwer gestürzt. Wir müssen Sie röntgen und von einem Arzt durchchecken lassen. Haben Sie sehr große Schmerzen?“
Claire nickt. „Kann er nicht bei mir bleiben? Ich will ihn nicht alleine lassen.“ Sie versucht, den Kopf zu heben, um Joshua zu sehen, zuckt aber unter der Bewegung zusammen. Er sitzt mit Trumans Kopf im Schoß auf dem roten Sofa. Ein junger Polizist nähert sich
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