Verraeterisches Herz
und behutsam zu zeigen, wie viel Vergnügen Mann und Frau zusammen haben konnten. Doch als sie endlich die Tür öffnete, konnte er sie nur entsetzt anstarren.
Sie hatte ihren Zopf gelöst und so dick Make-up aufgetragen, dass er in ihr kaum seine schüchterne junge Alicia wiedererkannte. Das vulgäre schwarze Etwas, das sie trug, bedeckte kaum ihre Brüste. Einen Moment machte ihn der Anblick, seiner als Prostituierten verkleideten Braut sprachlos. Dann sprudelte ein Schwall italienischer Worte aus ihm heraus. Ein Blick in Alicias Gesicht verriet ihm, dass sie ihn trotzdem ganz genau verstand.
Rückblickend begriff er nun, dass er vor Abscheu und aus sexueller Frustration übermäßig und unverzeihlich grausam reagiert hatte. Er befahl seiner erschrockenen Braut, sich zu waschen. Anschließend stürmte er aus dem Zimmer und nach unten an die Bar, um sich wieder zu beruhigen. Als er einige Zeit später in die Suite zurückkehrte, war Alicia verschwunden. Anstelle einer Nachricht hatte sie eine wesentlich klarere Botschaft hinterlassen. Ihr Ehering lag auf dem Häuflein schwarzen Chiffons, den sie vorhin getragen hatte, zusammen mit dem Verlobungsring, ein altes Erbstück der da Luca Familie.
Dio , wie wütend er gewesen war! Noch jetzt überlief ihn ein eisiger Schauer. Der Hotelmanager fand schließlich heraus, dass sie in einen vor dem Hotel parkenden Wagen gestiegen war.
Kurz darauf klingelte sein Telefon. Seine Erleichterung, Alicias Stimme zu hören, war so groß, dass er kaum verstand, was sie ihm mitteilte.
„Ich wollte dir nur sagen, dass dir mein widerlicher Anblick von nun an für immer erspart bleiben wird. Arrivederci .“
„Alicia …“ Doch da hatte sie das Handy schon ausgeschaltet. Natürlich rief er sofort ihre Mutter an. Doch Alicia war ihm zuvorgekommen. Bron wusste bereits Bescheid und weigerte sich, ein weiteres Wort mit ihm zu sprechen, bevor ihre Tochter ihr nicht die gesamte Geschichte erzählt hatte. Er konnte ihr nur das Versprechen abringen, ihn anzurufen, sobald Alicia wohlbehalten zu Hause eintraf.
„Ich weiß nicht, was Sie ihr Unaussprechliches angetan haben“, begrüßte Bron ihn am nächsten Morgen frostig am Telefon. „Sie will es mir nicht sagen. In einer Hinsicht jedoch war sie sehr deutlich. Sie will Sie nie wiedersehen. Niemals.“
Unvermittelt kehrte Francesco in die Realität zurück, als auf der Anzeigetafel Alicias Flug aufleuchtete. Ungeduldig wartete er darauf, ihren kupferfarbenen Lockenkopf unter den anderen Passagieren auszumachen, die nun in die Ankunftshalle strömten. Endlich entdeckte er sie. Allerdings war Alicia, gekleidet in Jeans und einem Leinenjackett, nicht allein.
„Nein, wirklich, ich danke Ihnen“, hörte Francesco sie zu dem Mann neben sich sagen. „Bitte, geben Sie mir meinen Koffer. Ab hier komme ich alleine zurecht.“
Er eilte zu den beiden und küsste Alicia auf beide Wangen. „ Come sta, carissima? Hattest du einen guten Flug?“
„Francesco!“ Sie schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln, das ihre Grübchen zum Vorschein brachte. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle in die Arme gezogen und leidenschaftlich geküsst. „Könntest du dem freundlichen Gentleman wohl meinen Koffer abnehmen?“
„Gerne.“ Lächelnd übernahm er das Gepäckstück. „ Mille grazie . Sehr freundlich von Ihnen, meiner Frau behilflich zu sein.“ Niedergeschlagen machte der Mann einen Schritt zurück. „Kein Problem.“
„Vielen, vielen Dank“, flötete Alicia zuckersüß. „Auf Wiedersehen.“
Erst im Wagen, auf der Autobahn in Richtung Florenz, eröffnete Francesco ein Gespräch.
„Du bist also gekommen.“
„Wie ich es gesagt habe.“
„Du siehst bezaubernd aus, allerdings auch ein bisschen müde. War die Arbeit sehr anstrengend?“
„Nicht mehr als üblich.“
„Während du hier bist, musst du dich vor allem ausruhen.“
„Dafür bleibe ich nicht lange genug“, erwiderte sie schnell. Doch hier, unter der warmen Sonne der Toskana, verschwand ihr Bedürfnis, so bald wie möglich wieder zu verschwinden, rapide. „Kann ich dich um einen Gefallen bitten, Francesco?“
„Natürlich.“
„Können wir auf dem Weg nach Montedaluca irgendwo anhalten, damit ich mich umziehen und herrichten kann?“ Sie lächelte schief. „Unter diesen Umständen würde ich lieber nicht in Jeans im castello eintreffen.“
„Obwohl du hinreißend in ihnen aussiehst?“
Sie wandte den Kopf ab, damit er ihre plötzlich roten Wangen nicht sah.
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