Verrat im Zunfthaus
Magda hatte sämtliche Federbetten neu gestopft.
Die Vorratskammer war gut gefüllt, alle Messer geschliffen, und sogar Moses hatte sie am Vortag gebadet.
Nun konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Während Adelina noch einen Rundgang durch die oberen Wohnräume machte und in der Gästekammer den Krug mit den Sommerblumen ein wenig mehr ins Licht rückte, zogen von der Küche her bereits herrliche Düfte durchs Haus.
Magda bereitete Brathuhn in Honigsoße, streng nach Adelinas Rezept. Liebend gern hätte sie selbst den Kochlöffel geschwungen, doch dafür fehlte ihr heute leider die Zeit. Doch Magda war eine gute Köchin, der die Gemüsepasteten fast ebenso gut gelangen wie ihr. Aber wenigstens das Brot hatte Adelina selbst gebacken, ebenso die Zimtschnecken, die Benedikta die Ankunft in Köln versüßen sollten.
Adelina stellte sich gerade vor, wie ihre Schwiegermutter ihr mit einem huldvollen Lächeln für den herzlichen Empfang danken würde, als von unten ein lautes Krachen und dann ein Scheppern erklangen. Alarmiert hob sie den Kopf. Die Geräusche kamen eindeutig aus der Küche. Nun hörte sie außerdem noch Magdas Zetern und ein lautes Heulen, das nur von Vitus stammen konnte. Dazwischen bellte Moses wie verrückt.
«O nein!» Adelina fasste sich an die Stirn und rannte zur Treppe. «Was ist geschehen?», rief sie, bekam jedoch keine Antwort. Stattdessen wurde Vitus’ Geheul von Colins Protestgebrüll übertönt.
Sie eilte die Stufen hinab und prallte beinahe gegen Franziska, die mit tränenüberströmtem Gesicht den Säugling auf dem Arm trug. Colin brüllte wie am Spieß, sein Gesichtchen war bereits ganz rot angelaufen.
«Oh, Herrin, gut, dass Ihr kommt. Es tut mir ja so leid …»
«Dumme Trööt! Ich hab dir doch gleich gesagt, nimm den Jungen nicht mit zu den Rosen», polterte Ludowig hinter ihr.
«Ich war doch nur ganz kurz … Woher soll ich denn wissen, dass da ein Bienenschwarm ist?», jammerte Franziska. «Herrin, eine Biene hat Colin in den Finger gestochen. Er ist schon ganz dick geschwollen, und ich …»
«Gib ihn mir.» Adelina nahm ihren weinenden Sohn auf den Arm und besah sich den Insektenstich. «Schneid eine frische Zwiebel auf, Franziska. Den Saft tun wir dann auf den Stich.»
«Sofort, Herrin!» Franziska flog um ihre eigene Achse und rannte hinaus.
Ludowig sah ihr kopfschüttelnd hinterher. «Duselkopp, die Kleine. Was ist denn in der Küche los?»
Da Vitus noch immer heulte und auch Magdas Schimpfen nicht nachließ, ging Adelina entschlossen auf die Küchentür zu. «Das werden wir gleich sehen.»
Was sie allerdings in der Küche erwartete, hätte sie sich nicht träumen lassen.
Das Küchenregal war umgestürzt, sämtliche Kannen, Teller und Becher lagen am Boden verstreut. Dazwischen lagen wie braune Punkte die Zimtschnecken. Fine hockte zwischen zwei Regalbrettern und hatte sich über eine der Schnecken hergemacht.
Das Regal hatte den Dreifuß über dem Küchenfeuer mitgerissen, und der Inhalt der großen Pfanne, die leckeren Brathühnchen in Honigsoße, lag ebenfalls auf dem Boden.
Magda hatte sich inzwischen vom Zetern und Fluchen aufs Jammern verlegt. Unglücklich versuchte sie, die Reste des Abendessens aufzuklauben. Eines der Hühnchen verteidigte Moses jedoch mit Knurren und Zähnefletschen. Auf der Ofenbank hockte Vitus mit verquollenem Gesicht und heulte vor sich hin.
«Großer Gott!» Vorsichtig bahnte sich Adelina einen Weg durch das Chaos und versuchte gleichzeitig durch Pusten auf Colins Daumen dessen Schmerzen ein wenig zu lindern. Dabei trat sie versehentlich auf Fines Schwanzspitze.
Die Katze kreischte auf und machte einen Satz über das Regal hinweg. Sie landete auf einem Zinnkrug, der unter ihren Pfoten ins Rollen kam. Katze und Krug kollerten in Richtung der Brathühnchen.
Moses bellte empört, schnappte sich die Reste seinesHühnchens und verzog sich unter die Ofenbank. Dabei verteilte er die Honigsoße in vielen kleinen Tapsen quer durch die Küche.
Fine legte die Ohren an, fauchte und verschwand unter dem Tisch.
«Fine! Du hast Fine wehgetan!», brüllte Vitus.
«Bleib hier, Vitus, der Katze ist doch gar nichts passiert.» Adelina hielt ihren aufgeregten Bruder am Arm fest, doch er riss sich los.
«Du bist auf ihren Schwanz getreten. Das hat ihr doch wehgetan!»
«Junge, die Katze hat sich höchstens erschreckt, mehr nicht», sagte nun auch Magda, die inzwischen mit einem Wischtuch die Bodenritzen bearbeitete.
«Ihr seid so
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