Verschwoerung der Frauen
Lebens halten wollte. »Sherry für Dorinda. Und Nellie, was möchten Sie? Oder haben alle inzwischen ihre Vorlieben geändert?«
»Wir haben eine Flasche französischen Champagner mitgebracht«, verkündete Dorinda und holte sie aus ihrer riesigen Lederta-sche. »Echten französischen«, versicherte sie, so als ob Champagner die Angewohnheit hätte, heimlich in anderen Ländern aufzutauchen.
»Wir wollten gern auf Gabrielles Roman anstoßen und auf Sie, Ka-te.«
»Für Champagner ist es noch zu früh«, sagte Kate und nahm Dorinda die Flasche ab. »Sosehr ich das herrliche Zeremoniell, Erfolge mit Champagner zu begießen, schätze – wir müssen noch einige Dinge klären. Ich stelle die Flasche in den Kühlschrank, damit sie schön kalt ist, wenn der richtige Moment kommt – falls er kommt.
Und in der Zwischenzeit – was möchten Sie gern trinken?«
»Aber ich dachte, alles sei geregelt«, sagte Dorinda und ließ sich wie ein aus einem Flugzeug abgeworfenes Paket auf die Couch 180
plumpsen. »Für mich Sherry wie immer. Ich dachte, wir feierten Gabrielles Roman, den Sie zusammen mit dem biographischen Porträt herausgeben. Können wir das denn nicht?«
»Nicht ganz«, sagte Kate. »Jedenfalls jetzt noch nicht. Bier, An-ne?«
»Seit der Zeit in unserem Hampstead-Pub bin ich ziemlich von Bier abgekommen«, sagte Anne. »Nach einem gutgezapften englischen Bitter schmeckt einem einfach kein Flaschenbier mehr – jedenfalls eine Weile nicht. Haben Sie Weißwein?«
»Also Weißwein«, sagte Kate. »Und was das frischgezapfte Bitter betrifft, gebe ich Ihnen völlig recht. Genau darauf hätte ich in diesem Augenblick Lust. Und Sie, Nellie? In Genf haben wir immer nur Kaffee getrunken.«
»Für mich bitte auch einen Weißwein«, sagte Nellie, die neben Dorinda auf der Couch saß. Anne folgte Kate in die Küche, um ihr mit den Getränken zu helfen.
»Mir ist gerade etwas Lustiges aufgefallen«, sagte Anne, während sie Flaschen und Gläser auf ein Tablett stellte. »Als wir jung waren, sah Dorinda viel besser aus als ich. Aber jetzt, wo wir beide alte Frauen sind, hat sich der Unterschied verwischt. Das liegt bestimmt daran, daß wir uns keine besondere Mühe gegeben haben, für alle Ewigkeit jung zu erscheinen. Aber Dorinda ist natürlich schlanker, das hat sie mir voraus.«
»Schlankheit ist einem entweder mit den Genen gegeben oder das Ergebnis enormer Anstrengungen«, sagte Kate. »Darüber würde ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Sie sehen beide wundervoll aus, wenn ich Ihnen das sagen darf.«
»Danke. So fühlen wir uns auch. Ist das nicht erstaunlich?« Kate und Anne kehrten ins Wohnzimmer zurück und setzten sich in die Sessel rechts und links von der Couch.
»Fehlt nur noch die Katze«, sagte Anne.
»Zwei Seelen, ein Gedanke«, sagte Kate. »Gerade dachte ich, daß eigentlich Lavinias Katze jetzt hier sein müßte. Für mich war sie wie eine Verbündete. Empfinden Hexen ihre Katzen nicht auch so?«
»Sind wir denn Hexen?« fragte Dorinda. »Wie witzig!« Nellie und Anne schauten verblüfft.
»Nur von der allerbesten Sorte«, sagte Kate. »Wie der Sirup der Haselmaus. Diese ganze Geschichte hatte von Anfang an etwas von Alice im Wunderland. Vor dem Frühstück an sechs unmögliche Dinge glauben, durch Spiegel gehen… Vielleicht verstehen Sie, 181
worauf ich hinauswill.«
»Auf das Verwirrspiel mit unseren Vätern?« sagte Dorinda. Die anderen beiden konzentrierten sich schweigend auf ihre Weingläser.
Kate wurde plötzlich klar, daß natürlich Dorinda die Anführerin war, diejenige, die alles eingefädelt hatte, so wie sie schon früher alles eingefädelt hatte. Wer wessen Vater war, hatte keine Rolle gespielt, sondern nur Dorindas Wunsch, daß Anne und später Nellie mit ihr zusammenlebten. Und dieser Wunsch war so viele Jahre später wieder in ihr erwacht – als sie Anfang Fünfzig war, wohl kurz nach ihrer Begegnung mit Mark Hansford.
»Ja, es gab eine Menge Geheimnisse«, sagte Nellie. »Und verbrannte Briefe. Ich weiß, daß Sie mir das übelnehmen. Aber wahrscheinlich stand gar nichts Wichtiges darin. Gabrielle wollte einfach reinen Tisch machen. Weil nicht ihre Briefe ihr wahres Selbst enthüllten, sondern ihr Roman.«
»Bleibt die Frage«, sagte Kate und sah Nellie an, »warum Sie bei unserer ersten Begegnung davon sprachen, daß ich Detektivin bin.
Und ich bin eine, wenn auch nur eine literarisch inspirierte Amateu-rin. Haben Sie davon gesprochen, weil Sie wollten, daß ich die
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