Vertrau mir, Tara
malen?”
“Nein, wahrscheinlich nicht.” Seine Stimme klang kühl. Er trank den Becher Tee aus und stellte ihn aufs Tablett. “Danke. Sie stecken voller Überraschungen.” Er lächelte sie an.
Sie auch, hätte sie am liebsten geantwortet. Sein Charme, sein attraktives Aussehen, seine hilfsbereite Art waren nur ein Teil seiner Persönlichkeit. Manchmal konnte man spüren, dass Adam Barnard auch eine andere Seite hatte.
“Gern geschehen.” Tara stand auf und hob das Tablett hoch. “Ich kann es kaum erwarten, bis das Bild fertig ist.”
“Das freut mich. Hoffentlich gefällt es Ihnen.”
Als sie zum Haus zurückging, spürte sie förmlich seinen Blick im Rücken.
Nachdem sie Melusine gefüttert hatte, machte sie sich wieder an die Arbeit. Aber jedes Mal, wenn sie am Fenster vorbeikam, vergewisserte sie sich, dass Adam noch am Landungssteg saß und malte.
Irgendwie bin ich wohl besessen von der Idee, ihn sehen zu müssen, schalt sie sich gereizt. Noch mehr ärgerte sie sich darüber, wie enttäuscht sie war, als er alles zusammenpackte und sich auf die Jacht zurückzog, ohne noch einmal anzuklopfen und die fertigen Wände zu bewundern.
Was für ein Unsinn, er hat mir nur seine Freundschaft angeboten, sonst nichts, überlegte sie. Und Freunde verbrachten nicht jede freie Minute zusammen.
Als sie sich entschloss, die Arbeit für den Tag zu beenden, sah sie sich um und war mit ihrer Leistung sehr zufrieden.
Normalerweise hätte sie sich nicht umgezogen, denn es war sowieso niemand in ihrer Nähe. Doch an diesem Abend schlüpfte sie nach dem Duschen in ihre cremefarbene Baumwollhose und ein farblich dazu passendes Top.
Bin ich etwa pathetisch, fragte sie sich, während sie sich das Haar bürstete.
Dann bereitete sie in der Küche das Dinner zu. Ihr wurde bewusst, dass sie genug für zwei gemacht hatte, obwohl sie allein essen würde.
Während der Käse schmolz und langsam braun wurde, schenkte sie sich ein Glas Chablis ein und ging damit nach draußen. Das tat sie jeden Abend bei schönem Wetter, es war nicht ungewöhnlich. Dennoch fühlte sie sich irgendwie gehemmt, als sie zum Fluss hinunterschlenderte.
Die Sonne stand schon tief am Himmel, und vom Wasser her wehte eine leichte Brise. An Bord der
Caroline
brannte im Salon das Licht, und jemand schien sich darin aufzuhalten.
Und dann hörte sie auch die leise, romantische Musik.
A Walk to the Paradise Garden
von Delius, dachte sie und erinnerte sich an das Konzert, das sie im Sommer besucht hatte.
Der kühle Wein rann ihr wie Balsam die Kehle hinunter, während sie dastand und lauschte. Dabei beobachtete sie Adams Jacht aufmerksam.
Die sanften Klänge kamen ihr vor wie Sirenengesang. Mit dem kleinen Beiboot ihrer Eltern, das nur wenige Meter vor ihr im Wasser lag, wäre sie in wenigen Minuten bei ihm.
Immerhin hatte er ihr Freundschaft angeboten. Warum sollte sie nicht auf das Angebot zurückkommen? Sie konnten sich zusammen die Musik anhören, dann etwas essen – und vielleicht auch zusammen schlafen …
Plötzlich hielt sie erschrocken inne. Das alles ist ja gar nicht genug, ich will mehr von ihm, ich will mein Leben mit ihm verbringen, gestand sie sich ein. Das war jedoch unmöglich, weil er zu einer anderen Frau gehörte.
Vielleicht konnte sie sich ihn eine Zeit lang ausleihen, ihm sagen, sie seien wie Schiffe, die nachts aneinander vorüberziehen. Sie würde ihm versprechen, nichts zu erwarten, nichts zu verlangen und sich nicht in sein Leben einzumischen.
Aber wenn ich mich mit ihm einlasse, bin ich wahrscheinlich die Verliererin und werde viel zu sehr verletzt, überlegte sie. Sie durfte nicht vergessen, dass sie sich nach der Trennung von Jack vorgenommen hatte, sich nie wieder einem Mann auszuliefern und sich nie wieder in Versuchung führen zu lassen.
Die Musik setzte kurz aus, und als Tara zum Haus zurückging, begleiteten sie die sehnsüchtigen Klänge von
The Banks of Green Willow,
die sich irgendwie traurig, wie tiefes Bedauern anhörten.
Und noch lange danach, als sie schon längst die Tür hinter sich geschlossen hatte, klang diese Melodie in ihr nach.
Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, versuchte sich Tara zu trösten, während sie sich unruhig im Bett herumwälzte.
Es war traurig, lächerlich und absurd, dass sie sich nach einem Mann sehnte, den sie kaum kannte. Das musste aufhören.
Warum konnte ich nicht auf einen der netten jungen Männer, mit denen Becky mich verkuppeln wollte, so heftig reagieren,
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