Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
einiges darüber, wie isoliert und von Nachrichten abgeschnitten die Menschen früher lebten, dass sogar die Schonen sich von dem schwedischen Angriff überrumpeln ließen. Die gleiche träge Phantasielosigkeit, die das dänische Handeln geprägt hatte, bevor Torstenssons Männer über die Grenze im Süden einfielen, hatte jedenfalls auch östlich des Sundes geherrscht. Das Militär dort war schlecht vorbereitet. Die Festungen waren nicht gerüstet, und trotz des Kriegsausbruchs hatten die Regierenden in Kopenhagen die zahlenmäßig schwachen Truppen in Schonen nicht verstärkt, sondern im Gegenteil noch zwei dringend benötigte Kompanien nach Seeland abgezogen. Und es wurde auch nicht gerade besser dadurch, dass die schonischen Verteidigungstruppen keine einheitliche Führung hatten; die Verantwortung wurde stattdessen geteilt von zwei gleichberechtigten Kriegskommissaren, die zu allem Unglück noch verpflichtet waren, zum «nächstbesten Adel» zu laufen und mit diesem über alle wichtigen Beschlüsse zu beraten – ein nur allzu treffendes Bild der staatspolitischen Zurückgebliebenheit Dänemarks. In Schweden herrschten dagegen ganz andere, streng zentralistische Prinzipien, die für die alten Freiheiten einzelner Landesteile oder Korporationen selten oder nie von Vorteil waren, aber schwedische Heere zu fürchterlichen Feinden machten.
Offenbar hatte es sich aber auch bei den Bewohnern Schonens herumgesprochen, wie die schwedischen Armeen unten in Deutschland hausten, denn überall verließen sie Haus und Hof – die Bauern gingen in die Wälder, der Adel und die Bürger nach Seeland oder in die bemannten Festungen. Nicht dass die schwedischen Soldaten, die in langen Kolonnen aus den småländischen Wäldern stampften, einen besonders imponierenden Eindruck machten. Sie wurden angeführt von Gustav Horn, dem gediegenen, aber etwas phantasielosen Offizier, der bei Nördlingen eine so schwere Niederlage erlitten hatte, aber kürzlich nach Hause gekommen war, grau und gebeugt nach acht Jahren bayerischer Kriegsgefangenschaft. Horn hatte im deutschen Krieg gekämpft, aber fast alle seine Untergebenen waren neu ausgehobene Bauernsoldaten mit unzureichender Ausbildung und keinerlei Erfahrung. In einer solchen Lage war es gut, einen Ruf zu haben. Wenn man ein wenig Glück hatte, würden die Feinde daraufhin die Beine in die Hand nehmen, bevor man überhaupt angekommen war.
Diesmal war es jedoch nicht ganz so gut. Die offizielle Strategie der Armeen gegenüber Land und Leuten hing davon ab, welchen Gebrauch man von ihnen zu machen gedachte. Wollte man ein Gebiet als Versorgungsbasis unbrauchbar machen, zögerte man nicht, in kalter Berechnung mit Feuer und Schwert darüber herzufallen, zu rauben, einzureißen, dem Erdboden gleichzumachen, zu schlagen und zu zerfleischen. Im besten Fall saugte man das Land systematisch aus, so wie Torstensson dies jetzt in Jütland tat. Hatte man aber vor, ein Gebiet selbst zu benutzen, um seine Truppen über einen längeren Zeitraum zu versorgen, galt es, darauf zu achten, dass der Bauer seinen Acker weiter pflügte, sodass man im Herbst einen bedeutenden Teil seiner Ernte als «Kontribution» einziehen konnte. In einer solchen Lage konnten die Feldherren faktisch eine ganze Menge tun, um die einfachen Zivilisten vor den Übergriffen zu schützen, die sich die Soldateska aus fast naturgesetzmäßiger Gewohnheit gegenüber diesen erlaubte. Und Schonen sollte schwedische Versorgungsbasis werden.
Helsingborg war nahezu menschenleer – am Tag nach dem Einmarsch nahmen «nicht mehr als 16 Menschen» am Gottesdienst in der Marienkirche teil. Zum Glück für Horns Heer war die Flucht jedoch so überstürzt gewesen, dass die Bürger nicht die Zeit gehabt hatten, ihre Speicher zu leeren und ihre Vorräte mitzunehmen. So verhielt es sich überall hier in Schonen in den ersten Wochen nach dem Angriff, was bedeutete, dass sich die schwedischen Soldaten in verlassenen Scheunen und Vorratslagern bedienen konnten. Auf dem Marsch nach Helsingborg und in der Stadt selbst hatten sie zum Beispiel 679 Tonnen Roggen und Gerste, 465 Tonnen Hafer, 112 Tonnen Salz, 415 Ochsen, 206 Schafe und 15 Schweine «kolligiert». Und die neuen Herren der Stadt wüteten nach Herzenslust in den leeren Häusern. Nach dem Krieg stellten die Rückkehrer fest, dass 113 Gebäude in der Stadt beschädigt waren: Schlösser, Scharniere und andere Beschläge waren aus den meisten Häusern gestohlen, das Holz an vielen Häusern
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