Vier Frauen und ein Mord
Nun, warum sollte uns das was ausmachen? Und als sie dann herausfand, dass er nur der Sohn eines kleinen Schneiders aus Londons Ostbezirken war, ließ sie ihn fallen, meine Liebe. Also, ich kann Snobs nicht leiden. Sie vielleicht? Aber Alex war recht froh, dass er sie auf diese Weise loswurde. Er sagte, manchmal konnte sie einem richtig Angst machen, eine Schraube ein bisschen locker, meinte er. Ihre Wutanfälle! Robin, Lieber, wir sprechen gerade von deiner wundervollen Madre. Furchtbar schade, dass sie heute Abend nicht mitkommen konnte. Aber es ist wunderbar, dass Mrs Oliver hier ist. All diese herrlichen Morde.«
Dann gingen sie alle hinüber ins Gasthaus, wo sie weitertranken und fachsimpelten.
Als Mrs Oliver und Robin nachhause fuhren, war Mrs Oliver völlig erschöpft. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Robin dagegen sprach ununterbrochen weiter.
»… und Sie meinen doch auch, dass das ein guter Einfall ist, nicht wahr?«, sagte er schließlich.
»Was?«
Mrs Oliver riss die Augen auf.
»Ich glaube, Sie sind müde«, vermutete Robin.
Er hielt vor Laburnums.
»Gehen Sie nur schon hinein«, sagte er. »Ich bringe den Wagen weg.«
Mrs Oliver arbeitete sich aus dem Wagen heraus und ging den Pfad hinauf.
»Die Tür ist nicht abgeschlossen«, rief Robin.
Mrs Oliver stieß sie auf und ging hinein. Nirgends brannte Licht, und das erschien ihr als eine kleine Unfreundlichkeit ihrer Gastgeberin. Oder war es vielleicht Sparsamkeit? Reiche Leute waren manchmal besonders sparsam. In der Halle lag ein leichter Duft, etwas ziemlich Exotisches und Teures. Einen Augenblick lang fragte Mrs Oliver sich, ob sie im richtigen Haus war. Dann fand sie den Schalter.
In der niedrigen Halle mit ihren Eichenbalken wurde es hell. Die Tür zum Wohnzimmer stand halb offen, und Mrs Oliver sah einen Fuß und ein Bein. Mrs Upward war also doch nicht zu Bett gegangen. Sie musste in ihrem Rollstuhl eingeschlafen sein. Da nirgends Licht brannte, musste sie schon lange schlafen.
Mrs Oliver ging zur Tür und schaltete das Licht im Wohnzimmer an.
»Wir sind wieder da…«, begann sie und verstummte.
Sie griff sich an den Hals. Sie fühlte dort einen kleinen Klumpen, den Wunsch loszuschreien, den sie nicht verwirklichen konnte.
Sie konnte nur flüstern. »Robin… Robin…«
Es dauerte eine Weile, ehe sie ihn pfeifend den Weg heraufkommen hörte. Da wandte sie sich um und lief ihm durch die Halle entgegen.
»Gehen Sie nicht hinein… gehen Sie nicht hinein. Ihre Mutter… sie… sie ist tot… ich glaube… man hat sie ermordet…«
18
» S aubere Arbeit«, sagte Kommissar Spence.
Sein rotes Bauerngesicht war wütend. Er sah rüber zu Hercule Poirot, der ihm ernsthaft zuhörte.
»Sauber und hässlich«, fuhr er fort. »Man hat sie erwürgt. Mit einem Seidenschal – einem ihrer eigenen Schals –, den sie an dem Tag getragen hat. Einfach um den Hals geworfen, die Enden über Kreuz gelegt und zugezogen. Das Opfer wehrt sich nicht, schreit nicht auf – Druck auf die Halsschlagader.«
»Besondere Kenntnisse nötig?«
»Nicht unbedingt. Wenn man es tun will, kann man darüber nachlesen. Es gibt praktisch keine Schwierigkeiten. Vor allem, wenn das Opfer gar keinen Verdacht hegt. Und sie hat keinen Verdacht gehegt.«
Poirot nickte.
»Jemand, den sie kannte.«
»Ja. Sie tranken gemeinsam Kaffee. Eine Tasse stand vor ihr und eine vor dem… Besuch. Fingerabdrücke sind von der Tasse des Gastes sehr sorgfältig abgewischt worden, aber bei Lippenstift ist es ein bisschen schwieriger. Wir fanden noch schwache Spuren von Lippenstift.«
»Also eine Frau?«
»Sie haben doch erwartet, dass es eine Frau war, nicht?«
»O ja. Ja, das war zu erwarten.«
Spence fuhr fort:
»Mrs Upward hat eine dieser Fotografien erkannt – die Fotografie von Lily Gamboll. So hat jener Fall also mit dem McGinty Mord zu tun.«
»Ja«, bestätigte Poirot.
Er erinnerte sich, wie Mrs Upward belustigt gesagt hatte:
»Mrs McGinty ist tot. Wie starb sie? Sprich!
Hielt ihren Kopf hin genau wie ich.«
Spence sprach weiter:
»Sie nahm eine Gelegenheit wahr, die ihr geeignet erschien – ihr Sohn und Mrs Oliver gingen ins Theater. Sie rief die betreffende Person an und bat sie herzukommen. Sehen Sie das auch so? Sie spielte Detektiv.«
»So ähnlich wird’s wohl schon gewesen sein. Neugier. Sie hielt geheim, was sie wusste, aber sie wollte mehr wissen. Sie machte sich nicht klar, dass das, was sie tat, gefährlich war.« Poirot seufzte.
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