Virtuelle Küsse (German Edition)
schnell. Die Tür ging andauernd auf und zu, es war nicht entspannend, so zu
rauchen.
"Er lügt", sagte ich zu Ben. "Er sagt irgendwas und ich spüre immer dass alles ganz anders ist.
Er ist einfach nur ein Rätsel. Komm, lass uns mal das Haus inspizieren. Du weißt ja: Zeige
mir wie Du wohnst und ich sage Dir, wer Du bist!" Wir liefen über alte Sandsteinplatten
hinüber zum Haus. Es war wirklich lila. Als ich die fünf Stufen zum Eingang hochging, spürte
ich dass ich das Haus mochte. War es von Dominics Eltern? Hatte er es gekauft? Wieder
einmal stellte ich fest dass ich nichts persönliches von ihm wußte. "Wo ist das Klo?" fragte
ich Ben, der die erste Tür nach links öffnete. "Hier nicht, hier ist die Küche." "Küche? Lass
sehen..." Die Einrichtung war wie aus den 50ern, ein Resopal-Schrank in weiß, ein Holztisch
mit Wachstuchdecke - ich hasste nichts mehr als Wachstuchdecken, etwas spießigeres und
hausfrauenhafteres gab es für mich nicht -, eine alte Spüle, ein Herd und ein alter gelber
Fliesenboden.
Aufgeräumt. War Dominic ordentlich? Ich hatte nach den Zuckerkrümeln in der Kingsbar fast
einen anderen Eindruck. Vielleicht hatte Maya Hand angelegt. Ben lief weiter. "Hast Du das
Klo?" "Nein, ich bin im Schlafzimmer. Dani, komm her! Ein durchwühltes, zerficktes Bett
voller Flecken. Da ging doch erst kürzlich granatenmäßig die Post ab! Schau Dir das an! Da
weißt Du ja, was Dich mal irgendwann erwartet!"
Ich mußte mich am Türrahmen festhalten. Warum traf mich alles, was mit Dominic zu tun
hatte, bis ins Mark? Ich spürte wie der Rotwein rückwärts von meinem Magen bis zu meiner
Kehle rutschte. Mein Mund schmeckte nach Kotze. Es ist nichts, beruhigte ich mich selber. Es
ist nur die Psyche. "Ben, wo ist das Klo?"
Ich warf einen Blick ins Schlafzimmer. Geile Wände in dunkelrot. Ein Bett links mit zwei
frisch bezogenen Decken und Kopfkissen, breit, mit Silberbügel am Kopfende. Scheußliches
Design. Würde ich mir nie kaufen. Daneben zwei Matratzen auf dem Boden, auch mit frisch
bezogenen Decken. Ein Rucksack auf einem Holztischchen. Eine Schachtel Kleenextücher
auf dem Fensterbrett neben dem Bett. Rechts in der Ecke war ein Solarium. Alles paßte
irgendwie nicht zusammen. "Ben, ich hasse Dich! Du weißt genau wie Du mich aus der
Fassung bringen kannst. Das ist unmöglich Dominics Schlafzimmer. Hier ist nicht mal ein
Schrank." Ich öffnete die nächste Tür. Endlich die Toilette. Ich ließ den Wasserhahn laufen
und spülte mir den Mund aus. Gott, war mir schlecht. Auf der Heizung bemerkte ich eine
200er Packung ob´s, daneben eine Packung mit Damenbinden für die Nacht, dick wie
Pamperswindeln. Maya mußte aber oft ihre Tage haben oder hatte Dominic andauernd
Damenbesuch und war für 'alle Fälle' gerüstet?
Die Wände hatten die gleiche Farbe wie das Schlafzimmer. Schönes, dunkles rot. Ich fand
Ben nebenan im Bad, er wusch sich die Hände. Badewanne, Dusche, über dem Waschbecken
ein ätzender Spiegelschrank, natürlich 3-teilig, wie fast in jedem Haushalt Standard, auch hier
alles der alte 50er-Jahre Stil, vor dem Fenster eine halb vertrocknete Ficus-benjamini-Pflanze.
Alles zweckmäßig, nichts individuelles, nichts deutete darauf hin dass hier permanent jemand
wohnte.
Hatte Dominic wirklich einen so furchtbaren Geschmack? Ich konnte es kaum glauben
Zurück bei der Garage sahen wir Joe in der Raucherecke stehen, alleine. "Hi Joe" begrüßte ich
ihn und zündete mir eine Zigarette an. "Woher kennst Du Dominic?" "Schon ewig, schon seit
der Schulzeit. Mann, ist das kalt heut nacht." "Kennst Du hier noch jemand anderes?" "Ja ein
paar, aber auch nicht alle. Die mit dem Baby sind aus March. Die schlafen heute nacht hier."
Ich sah mir Joe genauer an. Er war etwas größer als Dominic, und auch etwas dicker, aber die
Ähnlichkeit in seinem Gesicht war verblüffend. "Joe, wo wohnt Dominic? Doch nicht drüben
wo die Toilette ist." "Nein, dort meistens." Joe zeigte zu dem Haus auf der anderen Seite des
Gartens. Das lila Haus hat er von seinen Großeltern geerbt. Das ist ja mehr oder weniger noch
eine Baustelle. Ich gehe rein, ich habe Hunger."
Rätsel gelöst! Joe verschwand in der Garage. Dort war anscheinend das Buffett eröffnet
worden. Als wir an unseren Platz zurückkehrten waren viele am essen. Meine Augen suchten
Dominic. Er stand vor dem Buffett und shakerte und lachte mit einer sehr schlanken Frau,
dabei warf er sich in einer wohl für ihn typischen Geste oft die Haare nach hinten.
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