Viscount und Verfuehrer
sich bei Lady Elizabeth, der Enkelin des Duke of Massingale, einzuschmeicheln. Tut mir wirklich leid, Mylord. Mein Gehör ist auch nicht mehr so gut, wie es einst ... “
„Ich will mich tatsächlich bei Lady Elizabeth einschmeicheln, wie Sie es so treffend formuliert haben. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich sie verführen will.“
Reeves wirkte verblüfft. „Ist das die Lady Elizabeth, welche diese Saison in die Gesellschaft eingeführt wird?“
„Ja, aber Sie dürfen nicht glauben, dass sie noch ein junges Mädchen von siebzehn Jahren ist. Sie ist fünfundzwanzig. Ihr Onkel starb kurz vor ihrem geplanten Debüt, sodass es sich verzögerte.“
Reeves sah ihn unverwandt an.
Christian stellte das Glas ab. „Schauen Sie mich nicht so an. Sie ist kein grünes Ding mehr. Im Gegenteil, sie ist die selbstbewussteste Frau, die ich je kennengelernt habe.“ „Tatsächlich?“
„Tatsächlich. Nicht dass es eine Rolle spielte, denn ich habe nicht die Absicht, überhaupt irgendjemanden zu verführen.“ Es sei denn, es musste sein. Er sah wieder zu Reeves. „Ich will nur so tun, als machte ich ihr den Hof.“
„Und wenn Lady Elizabeth Ihren vorgetäuschten Schmeicheleien erliegt?“
„Das wird sie nicht; sie hat einen veritablen Drachen als Anstandsdame. Die Tagend der Dame wird aufs Beste bewacht. Sogar vor mir.“
„Ich bin froh, dass Lady Elizabeths Großvater weiß, welche Gefahren einer zarten jungen Dame drohen, wenn sie in eine Stadt voller ...“, Reeves’ Blick huschte zu Christian hinüber, „... Wölfe eingeführt wird.“
Christian grinste. „Bezeichnen Sie mich etwa als Wolf, Reeves?“
„Das würde ich nicht wagen, Mylord. Es wäre anmaßend.“ „Bis jetzt hat Sie das schließlich auch nicht abgehalten.“ Christian betrachtete den Butler und seufzte dann. „Vermutlich sollte ich Sie in meinen Plan einweihen, sonst denken Sie noch schlechter von mir, als Sie es ohnehin schon tun, falls das überhaupt möglich ist.“
„Ach, möglich ist es schon“, versetzte Reeves und schenkte Christian nach, „aber ziemlich unwahrscheinlich.“
„Vielen Dank!“
„Gern geschehen, Mylord. Wenn Sie Ehrlichkeit zu anstrengend finden, kann ich mir die Informationen aber auch weiter über die üblichen Kanäle besorgen. “
„Die üblichen Kanäle?“
„Hier eine Information, die Sie fallen lassen, Dinge, die mir die anderen Dienstboten hinterbringen, lauschen. “
„Sie lauschen an der Tür?“
„Ich doch nicht, Mylord“, erwiderte Reeves würdevoll. „Die Lakaien.“
Christian nahm die Zigarre aus dem Mund. „Die Lakaien lauschen.“
„Aber natürlich, Mylord. Als ich noch Lakai war, vor vielen, vielen Jahren, habe ich das auch getan.“
„Jetzt, wo Sie Butler sind, überlassen Sie derartig abscheuliche Aufgaben wohl lieber den Untergebenen.“ Reeves verneigte sich. „Sie besitzen eine rasche Auffassungsgabe, Mylord.“
„Vielen Dank“, erwiderte Christian noch einmal, diesmal mit ironischem Unterton. Er schüttelte den Kopf. „Sie sind unverbesserlich. Ich weiß nicht, wie mein Vater es so lang mit Ihnen ausgehalten hat.“
„Ach, das war recht einfach, Mylord. Ich habe ein fürchterliches Gedächtnis. Ihr Vater hat mich recht oft entlassen, nur leider habe ich immer vergessen zu packen. Nach ein, zwei Tagen war er wieder in guter Verfassung und froh, mich zu haben. Ich habe eine gewisse Gabe dafür, für den alltäglichen Luxus zu sorgen. Seine Lordschaft fand das immer sehr tröstlich.“
Christian sah auf die unangezündete Zigarre. „Das also ist es, was Sie mit Portwein und Zigarre bezwecken? Ein Versuch, sich unentbehrlich zu machen?“
„Ja“, erklärte Reeves in entschuldigendem Ton.
Christian musste lachen. „Sie sind wirklich mit allen Wassern gewaschen, Reeves.“
„Danke, Mylord. Von einem ehemaligen Straßenräuber ist das wirklich ein schönes Kompliment.“ Reeves räusperte sich. „Also, Mylord. Wie war das mit Ihrem Plan?“
„Ach ja.“ Christian erhob sich und ging zum Schreibtisch. Er öffnete die oberste Schublade. „Es ist ganz einfach. Wie Sie ja wissen, starb meine Mutter im Gefängnis Newgate.“ „Dieses traurigen Umstands bin ich mir bewusst, Mylord. Ihr Bruder hat mir berichtet, was Ihnen damals im Alter von zehn Jahren widerfuhr - wie Ihre Mutter ins Gefängnis geworfen und des Hochverrats angeklagt wurde.“
„Ja. Eine Weile waren Tristan und ich noch zusammen, aber dann ..." Die Erinnerungen an jenen Tag stiegen
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