Vision - das Zeichen der Liebenden
wollte: Innerhalb weniger Sekunden hatte kaltes, fast weißes Licht die Gruppe der noch immer rezitierenden Männer in blendende Helligkeit getaucht. »Wo kommt das Licht her?«
»Das kannst du uns sicher besser erklären.« Obers Lächeln war eisig. »Es muss etwas mit dem zu tun haben, was du in der Tiefe gemacht hast.«
Ober und Alex maßen sich mit einem kurzen, stummen Blick.
»Ich habe nur ausgeführt, was du mir aufgetragen hast«, gab Alex zurück. »Das Labyrinth durchqueren und es lebend wieder verlassen.«
»Ich habe dir gesagt, du sollst es versuchen«, berichtigte Ober ihn kühl. »Ich bin ehrlich gesagt mehr als überrascht, dass du es wirklich geschafft hast. Wie ist dir das gelungen?«
»Mithilfe von zwei Visionen. Die erste hat mich davor bewahrt, Arion in die Falle zu gehen, und die zweite hat mir den Ausgang gezeigt.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Jana, die aufgestanden war und zögernd auf ihn zukam. »Du hattest Visionen? Als wärst du ein Agmar? Wie kann das sein? Ich hätte nie gedacht, dass das Tattoo so stark wirken kann!«
Unentschlossen blieb sie ein paar Meter vor Alex stehen. Alle vier schwiegen, sie versuchten, die Gedanken der anderen zu erraten.
Ober brach das Schweigen. Von Nahem wirkte seine Haut noch durchscheinender. »Dort unten ist noch etwas anderes geschehen«, sagte er nachdenklich. »Arions Hass hat uns jahrhundertelang geschützt. Wir haben seine finsteren Gefühle genutzt, um unseren Unterschlupf wie unter einem dunklen Schleier zu verbergen und zu verhindern, dass die Wächter uns aufspüren. Aber jetzt ist dieser dunkle Schleier plötzlich verschwunden und wir sind deutlich zu sehen. Kannst du mir das erklären?«
Alex schluckte, hielt Obers Blick jedoch stand. »Arion ist tot«, sagte er. »Er hat das Labyrinth mit mir verlassen und draußen hat er sich… Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Er hat sich einfach aufgelöst.«
Das monoton gemurmelte Mantra brach ab. Die Ghuls, die immer noch damit beschäftigt waren, den Boden und den Tisch sauber zu machen, hoben den Kopf, sie stierten Alex an.
Ober erbleichte. »Du lügst! Niemand kann Arion töten. Drakul und Agmar haben es auf tausend verschiedene Arten versucht, aber es ist ihnen nicht gelungen. Seine Macht hat ihn unsterblich gemacht.«
Auch Jana und Erik starrten Alex ungläubig an.
»Aber es ist die Wahrheit.« Alex hob die Schultern. »Ich wollte ihn nicht umbringen. Trotzdem ist er vor meinen Augen gestorben … Und ich bin schuld daran.«
»Ein Wächter kann nur durch die Hand eines anderen Wächters sterben«, sagte Erik leise. »Aber das kann nicht sein, es kann einfach nicht sein…«
»Du hast recht, mein Sohn«, bekräftigte Ober ebenso leise. »Anders ist es nicht zu erklären.« Dann kam er langsam hinter dem Tisch hervor und trat auf Alex zu. »Jetzt verstehe ich alles.« Obwohl seine Stimme sanft klang, lief es Alex eiskalt den Rücken hinunter. »Dein Vater hat mich belogen, um dich zu beschützen. Aber die Anzeichen sind eindeutig. Du bist der Letzte!« Er trat einen Schritt zurück. »Ergreift ihn!«
Augenblicklich packten zwei Ghuls Alex an beiden Armen. Sie überragten ihm um mehrere Köpfe, mit ihren langen Krallen und den ausgeprägten Stirnknochen wirkten sie noch wilder als Garo.
Die anderen Ghuls, darunter auch Garo selbst, kamen knurrend näher, ihre Augen waren rot unterlaufen.
»Warte, Vater, das kann nicht sein.« Mit einer abwehrenden Handbewegung ging Erik auf Ober zu. »Er hat ein Tattoo, also kann er kein Wächter sein. Es muss eine andere Erklärung geben!«
Ober stieß ihn aufgebracht zurück. »Du bist blind!«, brüllte er. »Ich hätte dich nie mit seiner Überwachung beauftragen dürfen! Du wagst es, mir in den Rücken zu fallen, nur um ihn zu beschützen?«
»Ich falle dir nicht in den Rücken.« Erik sprach hastig, er schien sehr aufgewühlt zu sein. »Ich sage doch nur, dass wir nichts überstürzen dürfen. Vielleicht gibt es eine andere Erklärung für das, was passiert ist. Denk daran, was sein Vater dir über ihn gesagt hat.«
Ober blieb unbeeindruckt. »Selbst wenn Hugo die Wahrheit gesagt hat«, er hob die Augenbrauen, »dürfen wir ihn auf keinen Fall entkommen lassen. Wir müssen jetzt an uns denken, nicht an ihn. Arion ist tot, seine schützende Dunkelheit gibt es nicht mehr. Verstehst du nicht, was das für uns bedeutet? Wir können jeden Moment von den Wächtern entdeckt werden! Wir müssen die Schatten zurückholen, so schnell wie
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