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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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durchgehen …«
    Auf einmal ist seine Hand hinter ihm, sein ganzer Körper verrenkt sich, als sie ihm den Arm sehr schmerzhaft auf den Rücken dreht. Er kann nicht mal mehr »Aua« sagen, sondern nur so etwas wie »Eh-eh-eh!« ausstoßen, so weh tut es.
    »Fass mich noch einmal an, und du bist deinen Arm los. Verstanden?«
    »Ja. Ja. Ist gut. Lass los. Ist angekommen.«
    Lev drüben bei der Eiche lacht. Offenbar gefällt es ihm, dass Connor Schmerzen hat.
    Risa lässt los, aber in seiner Schulter pocht es weiter. »Das war nicht nötig«, sagt Connor und versucht nicht zu zeigen, wie sehr es noch weh tut. »Ich wollte dir nichts tun.«
    »Ja, jetzt weiß ich das auch.« Ihre Stimme klingt ein bisschen schuldbewusst. »Vergiss nicht, ich bin in einem staatlichen Waisenhaus aufgewachsen.«
    Connor nickt. Er kennt die Jugendlichen aus diesen Einrichtungen. Sie müssen schon sehr früh lernen, selbst für sich zu sorgen, sonst haben sie kein besonders angenehmes Leben. Er hätte sich wirklich denken können, dass sie sich nicht einfach so von ihm anfassen lässt.
    »Entschuldigung«, sagt Lev, »aber wir können nirgendwohin gehen, solange ich an einen Baum gefesselt bin.«
    Connor mag den ablehnenden Blick in Levs Augen immer noch nicht. »Woher wissen wir, dass du nicht abhaust?«
    »Du kannst es nicht wissen, aber solange ich festgebunden bin, bin ich eine Geisel«, sagt Lev. »Sobald ich frei bin, bin ich ein Flüchtling wie ihr. Gefesselt bin ich ein Feind, losgebunden ein Freund.«
    »Wenn du nicht abhaust«, ergänzt Connor.
    Risa fängt ungeduldig an, die Ranken zu lösen. »Wenn wir ihn nicht hierlassen wollen, müssen wir das Risiko eingehen.« Connor hilft ihr, und in wenigen Augenblicken ist Lev frei. Er steht auf und streckt sich. Dann reibt er sich die Schulter, wo ihn das Betäubungsgeschoss getroffen hat. Levs Augen sind immer noch wie blaues Eis, und Connor fällt es schwer, in ihnen zu lesen, aber er rennt nicht weg. Vielleicht hat er sich von seiner »Pflicht« verabschiedet und sieht endlich einen Sinn darin, am Leben zu bleiben.

8. Risa
    Die leeren Tüten und zerbrochenen Plastikteile, die sie auf ihrem Weg durch den Wald nun öfter sehen, beunruhigen Risa, denn Müll ist immer das erste Anzeichen für Zivilisation. Und Zivilisation bedeutet Menschen, die sie erkennen könnten, wenn ihre Gesichter schon durch die Medien gegangen sind.
    Sie können sich unmöglich von jedem menschlichen Kontakt fernhalten, das ist Risa klar, sie macht sich keine Illusionen über ihre Chancen, ungesehen zu bleiben. Obwohl sie unbedingt anonym bleiben müssen, würden sie die Hilfe anderer Menschen brauchen.
    »Nein, brauchen wir nicht«, hält Connor rasch dagegen, als sich die Anzeichen von Zivilisation um sie herum mehren und Risa ihre Gedanken laut ausspricht. Inzwischen ist es nicht nur Müll, sondern auch die bemoosten Trümmer einer kniehohen Steinmauer oder die rostigen Überreste eines alten Strommasts aus der Zeit, als Strom noch durch Kabel transportiert wurde. »Wir brauchen niemanden. Wir nehmen uns einfach, was wir benötigen.«
    Risa seufzt, aber sie bemüht sich, trotz ihrer Anspannung nicht die Geduld zu verlieren. »Du klaust bestimmt toll, aber ich fürchte, das ist keine gute Idee.«
    Connor reagiert beleidigt auf diese Unterstellung: »Glaubst du etwa, die Leute geben uns aus reiner Herzensgüte Essen und was wir sonst noch brauchen?«
    »Nein«, sagt Risa, »aber wir haben bessere Chancen, wenn wir schlau sind, statt blind vorwärtszupreschen.«
    Ihre Worte oder vielleicht auch nur ihr absichtlich herablassender Tonfall veranlassen Connor, sich umzudrehen und sie einfach stehen zu lassen.
    Lev beobachtet ihren Streit aus der Ferne. Wenn er weglaufen will, dann ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, solange Connor und ich mit Streiten beschäftigt sind. Und dann kommt Risa der Gedanke, dass dies eine sehr gute Gelegenheit ist, Lev auf die Probe zu stellen und herauszufinden, ob er wirklich auf ihrer Seite steht oder nur einen passenden Moment für seine Flucht abwartet.
    »Lauf nicht weg!«, knurrt sie Connor an, um den Streit weiterzuführen, während sie ein Auge auf Lev hat. »Ich rede mit dir.«
    Connor dreht sich zu ihr um. »Wer sagt, dass ich zuhören muss?«
    »Du würdest es tun, wenn du wenigstens drei Hirnzellen hättest, aber offensichtlich fehlt es dir sogar daran!«
    Connor kommt näher, bis er dichter vor ihr steht, als ihr lieb ist. »Ohne mich wärst du auf dem Weg ins

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