Vollmondfieber: Roman (German Edition)
ging los.
Ich platschte hinter ihm her. »Hättest du nicht ein Versteck finden können, das leichter zu erreichen ist?«
»Leichter zu erreichen, bringt uns nur schneller Gesellschaft ein.«
»Die Wölfe werden uns so oder so irgendwann einholen«, grummelte ich. Genau in diesem Moment rutschte ich auf einem mittelgroßen Stein aus und schaffte es gerade noch, mich abzufangen und einem Ganzkörperbad zu entgehen. Meine Reflexe waren nun, da ich eine Wölfin war, viel besser als vorher. Gott sei Dank, anderenfalls hätte ich mir einen nassen Hintern geholt. »Wölfe sind hartnäckig, weißt du.«
»Bis die unsere Spur wiedergefunden haben, sind wir schon lange weg.«
»Rourke«, blaffte ich seiner Kehrseite hinterher, die sich rasch von mir fortbewegte, »ich bleibe sicher nicht länger als einen Tag bei dir, klar? Sobald ich Nachricht von meinem Rudel bekomme, gehe ich genau dahin zurück, wo ich hergekommen bin. Ich renne nicht zusammen mit dir von einem Versteck zum anderen.«
Er grunzte etwas Unverständliches.
Nach etlichen Kilometern mit nicht eben vielen Pausen erreichten wir einen kleinen See. Das Ufer rahmten große Felsbrocken ein, und in der Seemitte kreiselte ein Strudel. Gespeist wurde der See von einem kleinen Rinnsal furchtbar stinkenden Wassers, das aus einem Spalt in einem gewaltigen Felsen strömte. Der Geruch von verfaulten Eiern verpestete die Luft. Ich schnüffelte noch einmal. »Puh, das ist ekelhaft!«, nörgelte ich. »Riecht das für Menschen auch so übel?«
Rourke kletterte auf einen der Felsbrocken am Rand des Tümpels. Eine aschblonde Locke fiel ihm in die Stirn; Sonnenschein badete seine immer noch entblößte Brust und ließ die winzigen Wassertropfen glitzern, die noch von unserer Wanderung durch den Fluss an seiner Haut klebten.
D er Mann gehört irgendwo weggesperrt , beschwerte ich mich bei meiner Wölfin. Dieser Tag war zum Nörgeln wie gemacht.
Meine Wölfin knurrte leise. Ihre Augen folgten jeder von Rourkes Bewegungen. Das Knurren klang allerdings verdächtig wie ein Schnurren. Mir sträubten sich die Härchen auf den Armen. Ich drückte die in die Jacke gewickelten Waffen fester an meine Brust und hoffte verzweifelt, dass Rourke nicht merkte, welche Wirkung er auf mich hatte. Ich wäre vor Scham im Boden versunken.
Als er meine Frage zu dem Schwefelgeruch nicht beantwortete, verteidigte ich mich: »Was denn? Das ist doch eine berechtigte Frage! Es fällt mir eben immer schwerer, mich daran zu erinnern, wie ich die Dinge als Mensch wahrgenommen habe. Mich bringt das alles ziemlich durcheinander.«
Ich sah ein kurzes Aufblitzen von Grün gleich dem Funken eines Feuerzeugs, ehe die Flamme zündet. »Für Menschen riecht es nicht so schlimm wie für uns. Schwefel ist ein wichtiges Naturelement. Wenn die Wölfe hier auftauchen, wird es ihnen ziemlich schwerfallen, mit all dem Schwefelgeruch in der Nase unsere Witterung wieder aufzunehmen.« Er grinste sardonisch. »Und jetzt musst du in dem Tümpel untertauchen.« Er deutete in die Mitte des kleinen Sees. »Vollständig.«
»Ist das wirklich notwendig?« Ich musterte das Gewässer. »Können wir uns nicht einfach mit dem Wasser bespritzen?« Ich deutete auf das Rinnsal, das aus dem Felsen sickerte. »Das riecht doch viel schlimmer.«
»Wir müssen sogar beides tun.« Er legte Jacke und Stiefel auf einem Felsen ab. »Das Wasser im Teich wird uns von unserem Körperschweiß befreien; der Schwefel wird unsere Fährte verbergen, wenn wir von hier verschwinden.«
Rourke wartete nicht auf eine Antwort, sondern tauchte gleich an der tiefsten Stelle des Teichs unter, um ein ganzes Stück entfernt wieder aufzutauchen. Anscheinend war der See recht tief.Das Sonnenlicht glitzerte auf Rourkes nassem Haar, als er auftauchte. Er sah aus wie eine Wassergottheit.
Irgendwie passte das zu ihm.
»Ich dachte, Katzen hassen es, nass zu werden.«
Er bedachte mich mit einem wachsam wirkenden Grinsen. »Nichts genieße ich mehr, als nass zu sein.« Er tauchte wieder unter. Sein kräftiger Rücken glitt gleich unter der Wasseroberfläche dahin.
»Na gut«, murmelte ich und ergab mich in mein Schicksal. »Was immer du sagst!« Ich legte meine Jacke mit den eingewickelten Habseligkeiten ab und tapste zum Ufer.
Meine weiße Korsage war größtenteils trocken geblieben. Aber meine schwarze Hose war von dem Geplansche im Fluss so oder so durchnässt. Ich biss mir auf die Lippen, dachte noch einmal kurz nach, ging zurück, nahm meine Jacke an
Weitere Kostenlose Bücher