Vollmondfieber: Roman (German Edition)
hatte. Telepathische Kommunikation war überaus praktisch. Ich schickte im Geiste ein kurzes Signal hinaus.
Tyler, bist du da?
Nichts.
Ich fragte mich, ob meine Reichweite dafür wohl begrenzt sei. Seltsam.
Als Nächstes schrieb ich meine Aussage für die Polizei und faxte sie ans Revier. Ich hatte keine Gelegenheit bekommen, persönlich mit James zu sprechen. Aber mein Dad würde ihn auf den neuesten Stand bringen. Ray hatte sich heute noch nicht mit einem Haftbefehl blicken lassen. Das bedeutete wohl, dass die Laborergebnisse hinsichtlich des Tranquilizers noch nicht da waren. Oder sie waren nicht schlüssig. Was noch besser wäre.
Der letzte Punkt auf meiner Tagesordnung lautete, noch einmal zu versuchen, meinen potenziellen neuen Klienten zu erreichen. Ich hatte schon früher am Tag versucht, ihn anzurufen, war aber nicht durchgekommen. Nicht einmal eine Mailbox hatte sich gemeldet, was einigermaßen sonderbar war. Jeder hatte eine Mailbox. Ich griff zu Marcys Notiz, auf der sein Name neben der Telefonnummer in Form von »Colin Rourke mit der süßen Stimme« hervorgehoben war.
»Das werden wir ja sehen«, murmelte ich, als ich wählte.
»Hallo, Rourke hier«, sagte eine sehr kräftige männliche Stimme gleich nach dem ersten Klingeln.
Ich musste zugeben, dass in der Stimme ein gewisses nettes Draufgängertum mitschwang. Und dann war da noch eine faszinierende Spur von einem Akzent, den ich nicht auf Anhieb zuordnen konnte. »Hallo, Mr. Rourke, Molly Hannon hier von Hannon & Michaels. Sie haben uns gestern wegen eines Problems angerufen? Was kann ich für Sie tun?«
»Ah, Ms. Hannon.« Ich konnte den Hauch eines Lächelns hinter seinen Worten spüren. »Danke, dass Sie mich zurückrufen. Wie es scheint, habe ich ein paar Probleme mit meinem Geschäftspartner. Darum würde ich gern Ihre Dienste in Anspruch nehmen.«
»Welcher Art sind diese Probleme genau?«, fragte ich. Wir wiesen selten jemanden ab. Aber bisweilen erwies sich ein Fall in der Realität als weit weniger schlimm, als die Leute zunächst dachten.
»Ich glaube, er hat Firmengelder unterschlagen.«
Nun, das klang schlimm genug. »Okay, wir helfen gern. Schauen wir doch mal, was wir tun können!«
»Ms. Hannon«, sagte Rourke, »ich möchte eines gleich von Anfang an klarstellen. Ich möchte Ihre Dienste in Anspruch nehmen und nur Ihre. Das ist eine höchst heikle Angelegenheit. Ich bin nicht daran interessiert, einen Affenzirkus daraus zu machen. Diskretion ist von höchster Wichtigkeit.«
Ich räusperte mich und schluckte umgehend meinen Ärger hinunter. »Ich versichere Ihnen, Mr. Rourke, Hannon & Michaels ist eine höchst professionelle Detektei. Wir behandeln jeden unserer Fälle mit äußerster Diskretion. Die Aufführung von Zirkusnummern ist in unseren Verträgen nicht enthalten, nicht einmal im Kleingedruckten.«
Sattes Gelächter hallte durch die Leitung. »Das hoffe ich von Herzen.« Dann senkte er die Stimme und sprach leise und etwas heiser weiter: »Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen, Ms. Hannon. Sie wurden mir für diese Art von Auftrag wärmstens empfohlen.«
»Danke.« Glaube ich. »Ich freue mich ebenfalls, Sie kennenzulernen, Mr. Rourke. Wir können, wenn es Ihnen recht ist, gleich einen Termin ausmachen, um eingehender über Ihre Lage zu sprechen. Wann hätten Sie Zeit?«
»Rourke reicht. Der ›Mister‹ ist nicht nötig.«
»Bitte?«
»Mein Name. Einfach nur Rourke.«
»Äh, ja, gut. Rourke. Wann wäre denn ein guter Zeitpunkt für ein Treffen?«
»Ich muss am Dienstagmorgen geschäftlich die Stadt verlassen und werde den Rest des Monats fort sein. Darum kann ich Sie nur noch morgen Abend treffen.«
»Das dürfte gehen.« Wir verabredeten uns am nächsten Abend zu einem Drink in einer Bar gleich in der Nähe.
»Ich freue mich darauf«, sagte ich.
Wenn ich ehrlich zu mir war, musste ich zugeben, dass ich von Rourke fasziniert war. Meine Wölfin war ebenfalls auf ihn aufmerksam geworden, was mich überraschte. Denn sie hatte sich relativ still verhalten, seit wir zur Arbeit gekommen waren. Wie dem auch sei, von dem Moment an, in dem ich Rourke in der Leitung gehabt hatte, hatte sie angefangen herumzuschleichen. Sie in meinem Kopf zu haben, war mehr als nur merkwürdig. Es war, als würden zwei separate Teile meiner selbst in mir leben, beide imstande, unabhängig voneinander zu handeln. Es würde eine Weile dauern, bis ich mich daran gewöhnt hätte. Aber für den Moment vertrieb ich das alles
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