Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
Mal einen ziemlichen Anschiss vom Trainer. Aber das war mir egal! Zu verlockend waren die Nächte im Treppchen. Und zu bescheuert fand ich es, mich auch noch am Wochenende in aller Herrgottsfrüh aus dem Bett zu quälen, wo ich doch schon von Montag bis Freitag um halb sieben aufstehen musste.
Es war nun nicht mehr zu verleugnen: Meine glanzvolle Fußballerkarriere neigte sich dem Ende zu. Und den Hauptschulabschluss hatte ich seit kurzem auch in der Tasche. Mein Mathelehrer hatte Wort gehalten und mich nicht durchfallen lassen. Ansonsten war ich nirgendwo richtig herausragend, aber eben auch nicht besonders schlecht. Darum habe auch ich eines Tages ein schönes Zeugnis ausgehändigt bekommen mit dem Vermerk drauf, dass ich das Schulziel erreicht und somit die Berufsreife erworben hatte.
Leichtsinnigerweise hatte ich meinem Vater versprochen, dass ich nun noch ein Jährchen auf die Handelsschule gehen würde, um meine Mittlere Reife zu machen. Ich verstand zwar nicht, was das für meinen weiteren Lebensweg als künftiger Geschäftsführer bringen sollte, aber ich hatte keinen Bock, mich zu streiten, und gab ihm mein Wort. Das Dumme war nur, dass mir das nun, nachdem ich endlich etwas in der Hand hielt, was mich Schwarz auf Weiß fürs Geldverdienen qualifizierte, so gar nicht in den Kram passte.
Sollte ich wirklich noch einmal zwölf Monate runterreißen, wo ich doch schon neun Jahre in der Penne zugebracht habe, in denen ich mich mit Prüfungen und Hausaufgaben herumplagen musste, anstatt etwas Sinnvolles zu tun? Zu allem Überfluss befand sich die Handelsschule in Frechen, was wieder einen erheblichen Fahraufwand mit sich bringen würde, um überhaupt hinzukommen. Ich konnte dort ja schlecht mit meiner auf achtzig Stundenkilometer hochfrisierten Kreidler-Flori samt Vierundzwanziger-Vergaser vorfahren. Das würde tagsüber sicher nicht lange gut gehen – zumal ich noch gar keinen Führerschein hatte. Das Ding konnte man nur abends benutzen, wenn die örtlichen Verkehrspolizisten schon Feierabend hatten.
Ich hatte einfach keinen Bock auf Chemie, Physik oder Sozialkunde. Wenn ich der Kölsche Albert Einstein hätte werden wollen, dann wäre ich es ja von vornherein anders angegangen. Also tat ich um des lieben Friedens willen so, als ob ich mich dem Willen meines Vaters beugen würde. Tatsächlich aber saß ich morgens so gut wie nie im Klassenzimmer. Ich ging lieber ins Café. Dort wartete ich, bis zu Hause die Luft rein war – und legte mich wieder in die Koje.
An einem ungemütlichen Januarmorgen saßen meine Eltern und ich gerade beim Frühstück, als das Telefon klingelte. Mein Vater legte den »Stadtanzeiger« zur Seite und ging ran – nicht ohne zu schimpfen, dass ihn jemand zu dieser frühen Stunde privat störte.
»Herr Geiss?«, fragte eine Frauenstimme, die so schrill war, dass meine Mutter und ich sie bis an den Tisch verstehen konnten.
»Einen kleinen Augenblick, ich verbinde Sie mit dem Direktor.«
Ich ahnte, was der wollte. Aber es war kaum zu glauben: Ich war ja gerade mal ein paar Wochen auf der bescheuerten Handelsschule – beziehungsweise ich war es eben nicht. Und schon ruft der Direx persönlich bei uns daheim an!
»Ich sage es Ihnen lieber gleich«, bellte der Direktor in den Hörer, während mein Vater seltsam ruhig blieb.
»Das mit ihrem Herrn Sohn, das wird hier nichts mehr! Der kann ab sofort ganz zu Hause bleiben. Schicken Sie den Jungen in eine Lehre oder sonst wo in die Arbeit, aber eine mittlere Reife kriegt Ihr lieber Robert nicht. Jedenfalls nicht bei uns. Und wahrscheinlich auch nicht anderswo.«
Mein Vater verabschiedete sich höflich und setzte sich wieder zu uns an den Tisch. Er schaute mich eindringlich an, wirkte aber eher erleichtert als angefressen.
»Das war der Direktor der Handelsschule«, sagte er.
»Hab’s gehört«, antwortete ich.
»Du brauchst nicht mehr hinzugehen«, sagte mein Vater. »Dann fängst Du eben bei uns an. Aber nicht dass Du denkst, dass Du Dir jetzt erstmal einen Flotten machen kannst. Wenn, dann gleich!«
Ich musste schluckten, war aber insgeheim froh. Denn damit war meine Schulzeit nicht nur ganz offiziell, sondern auch von meinem alten Herrn legitimiert ein für alle Mal beendet. Dafür fing ein neues Kapitel in meinem Leben an, aber das kennt Ihr ja jetzt schon!
***
Der Spruch, der über diesem Kapitel steht, ist mir schon ein paar Mal um die Ohren geflogen. In meinem Fall hat er aber einfach gestimmt: Ich konnte relativ jung
Weitere Kostenlose Bücher