Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Verknüpfung im sprachlichen Bereich: „Locke“ und „Anlocken“. Aber es war zu tief, um es genauer zu erforschen. Jetzt würden wir nie ohne den geringsten Zweifel wissen, wie es kam, daß Elin das letzte Glied einer Kette von Gottesanbeterinnen bildete. Stammte sie wirklich von einer Eisprinzessin ab, in die sich die von einem römischen Handelsmann in nordische Bereiche verschleppte Mumie verwandelt hatte, und heiratete sie in Cumberton-Shoyle einen Nachkommen des Sohnes dieser halb mythologischen Gestalt? Elins Vorgängerinnen auf Tyne hatten bei der Affäre den Kopf verloren – doch waren sie auch wirklich tot? Vielleicht hatten auch sie ein zweites Leben wie jenes dieser kleinen Schauspielerin und fielen nicht einem Ungeheuer zum Opfer, sondern hatten ein zweites, leichteres Leben in einem anderen Land. Wenn das so war, dann würde auch Oswin Cumberton-Shoyle noch leben, der letzte Spross eines der ältesten britischen Adelsgeschlechter. Wie kam es aber, daß erstmals in der Geschichte dieser Familie der Erbe, der männliche Spross, dem Gott geopfert wurde? Hatte es nicht doch etwas mit dem einem ganz anders gearteten Rätsel der Elin zu tun, einen Nach-Mumien-Mythos, der in der Zeit der Elektrifizierung geboren war und von uns durch seine Neuheit noch gar nicht erkannt, geschweige denn analysiert werden konnte? Was bedeuteten die Gefühle, die ich für sie empfunden hatte, und immer noch empfand? Was war der Abschiedsschmerz, der mich inmitten des Lichtspieltheaters mit tränenüberströmtem Gesicht hocken ließ, als Holmes längst gegangen war und der Projektor ausgeschalten war? Jedenfalls schien ihre Geschichte, dem Zelluloid entsprungen zu sein, zu stimmen, und die hilflosen Erklärungsversuche eines Grafen Ueberdank, der in ihr ein Vorstadtmädchen zu erkennen geglaubt hatte, mußten verstummen vor den Tatsachen. Ja, wir waren nicht fähig, das Wesen dieser Frau, die aus den Bildern entstanden war, zu begreifen. Es mußte eine Kraft geben, die Menschen in bloße Imaginationen verwandeln konnte. Es mußte eine Kraft geben, die den Menschen ihre Lebenskraft nahm und sie schwächte, bis sie den Kampf aufgaben und damit einverstanden zeigten, nur mehr auf einer Filmrolle zu existieren, und dabei willenlos zu werden, jederzeit hervorgebracht, zum Leben erweckt und dabei jedes Mal die gleiche mächtige Wirkung auf die Vorstellungskraft der Menschen hervorzurufen, die sie auf der Leinwand wie eine Göttin bewundern würden.
War denn das Lichtspiel, diese teuflische Erfindung, diese Illusion, nicht das Gefährlichste in dem ganzen Vorgang? Die wahre Ursache für den Tod aller Illusionen, vor allem für den Volksglauben, der dergleichen Phänomene überhaupt hervorgerufen hatte? Und wenn selbst Thor vor elf Jahren beim Anblick dieses Lichtspieles betrogen worden war, bedeutete das nicht, daß wir alle vom Lichtspiel in einer Weise getäuscht wurden, die unsere alten Überzeugungen, Hoffnungen und Befürchtungen auslöschte und mit einem neuen, schalen Nichts ersetzte?
Ich war mutlos und enttäuscht über die Affäre, mehr noch als Holmes, den es zwar sichtlich wurmte, daß mit dem Eintritt der Elin in die Welt des Lichtspiels unmöglich geworden war, mehr über die Rätsel und Geheimnisse der Amphore, des Kelches und der Vorgänge auf Tyne herauszufinden. Aber schon stand er tatkräftig vor mir. Er hatte die Filmrolle asserviert und in eine luftdicht schließende Hülle sowie eine Blechbüchse legen lassen. An der anderen Hand führte er einen weiteren Österreicher herbei, der hier in Paris ein Lichtspieltheater errichtet hatte. Sein Name war Schmied, ein verhutzeltes älteres Männchen, das gleichwohl
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