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Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit

Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit

Titel: Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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gelegen hatte. Die Beleuchtung durch die Energiekuppel war gleichmäßig und schattenlos, sie veränderte sich nicht. Sie war zeitlos, wie die Ewigkeit. Die Hölle war ewig, oder nicht? Dieser Ort hier hatte verdammt zu viel Ähnlichkeit mit der Hölle, das war schon mal sicher.
    Und hier kam ein neuer Dämon … Miles blinzelte, bis er die herannahende Gestalt gut erkennen konnte. Ein Mann, so übel zugerichtet und nackt wie er selbst, so ausgehungert und ausgemergelt, daß ihm die Rippen hervorstanden, kniete er einige Meter entfernt am Boden. Sein Gesicht war knochig und von der Anspannung gealtert, er mochte vierzig oder fünfzig sein – oder fünfundzwanzig.
    Seine Augen traten wegen seiner Magerkeit unnatürlich hervor.
    Die weißen Augäpfel schienen fiebrig zu glänzen. Während der Schmutz seine Haut verdunkelte. Schmutz, keine Bartstoppeln –
    jedem Gefangenen hier, Männern wie Frauen, wurde das Haar
    kurz geschoren und die Haarfollikel betäubt, um das weitere Wachstum zu stoppen. Alle waren immerzu sauber rasiert und hatten kurzen Militärhaarschnitt. Miles hatte die gleiche Prozedur nur ein paar Stunden zuvor über sich ergehen lassen müssen. Aber dieser Kerl hier war sehr eilig behandelt worden. Dem Haarbetäuber war ein Streifen auf seiner Wange entgangen, und jetzt wuchsen da ein paar Dutzend Haare wie ein Grasstreifen auf einem schlampig gemähten Rasen. Obwohl sie sich zu Locken ringelten, sah Miles, daß sie einige Zentimeter lang waren. Wenn er nur wüßte, wie schnell Haar wuchs, dann könnte er ausrechnen, wie lang dieser Kerl schon hier war. Auf jeden Fall zu lang, dachte Miles mit einem stummen Seufzer.
    Der Mann schob die abgebrochene untere Hälfte eines Plastikbechers Miles zu. Sein Atem pfiff durch seine gelblichen Zähne.
    War es Anstrengung, Aufregung oder Krankheit? Wahrscheinlich 239
    nicht Krankheit, denn sie alle hier waren gut immunisiert worden.
    Nicht einmal die Flucht durch Tod war so einfach. Miles rollte sich auf die andere Seite, stützte sich steif auf den Ellbogen auf und betrachtete seinen Besucher durch den dünner werdenden Nebel seiner Schmerzen.
    Der Mann kroch ein Stückchen zurück und lächelte nervös. Er nickte in Richtung auf den Becher. »Wasser. Du solltest trinken.
    Der Becher hat einen Sprung, und wenn du zu lange wartest, dann läuft alles aus.«
    »Danke«, krächzte Miles. Vor einer Woche, oder in einem
    vergangenen Leben, je nachdem, wie man die Zeit zählte, hatte Miles an ausgewählten Weinen herumprobiert und war mit dieser oder jener Geschmacksnuance unzufrieden gewesen. Er grinste, als er sich daran erinnerte. Dann trank er. Es war vollkommen gewöhnliches Wasser, lauwarm, und roch schwach nach Chlor und Schwefel. Der Körper ist verfeinert, aber die Blume ist etwas zu aufdringlich …
    Der Mann hockte mit geflissentlicher Höflichkeit da, bis Miles fertiggetrunken hatte, dann beugte er sich vor, stützte sich mit seinen Knöcheln ab und fragte: »Bist du der Eine ?«
    Miles blinzelte. »Bin ich was?«
    »Der Eine. Der zweite Eine, müßte ich eigentlich sagen. Die Schrift sagt, daß es zwei sein sollen.«
    »Hm«, Miles zögerte vorsichtig, »was sagt die Schrift eigentlich genau?«
    Die rechte Hand des Mannes bedeckte sein knotiges linkes
    Handgelenk, um das er einen Lumpen gewickelt hatte, der zu einer Art Seil zusammengedreht war. Er schloß die Augen, seine Lippen bewegten sich einen Moment lang stumm, dann rezitierte er laut:
    »… aber die Pilger gingen jenen Hügel leicht empor, denn sie hatten diese beiden Männer, die sie an den Armen führten; sie hatten auch ihre Kleider zurückgelassen, denn obwohl sie mit ihnen hineingingen, kamen sie ohne sie heraus.« Er riß die Augen wieder auf und starrte Miles hoffnungsvoll an.
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    Aha, jetzt fangen wir an zu begreifen, warum dieser Kerl ganz allein zu sein scheint … »Bist du vielleicht der andere Eine?«, fragte Miles auf gut Glück.
    Der Mann nickte scheu.
    »Ich verstehe. Hm …« Woher kam es, daß er immer die Spinner anzog? Miles leckte sich die letzten Wassertropfen von den Lippen.
    Bei diesem Burschen mochten gewiß einige Schrauben locker sein, aber er war sicherlich besser als die Bande, auf die er zuletzt getroffen war, natürlich unter der Annahme, daß sich in seinem Kopf nicht noch eine weitere Persönlichkeit, die eines mörderischen Verrückten, verbarg. Nein, in diesem Fall hätte er sich als die Beiden Auserwählten vorgestellt und hätte sich nicht anderswo nach Hilfe

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