Vorkosigan 13 Komarr
Venier.
Miles betätigte das Interkom. »Könnten wir einmal dort drüben landen und es uns anschauen?«, rief er ins vordere Abteil.
Vorsoisson zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir noch vor Einbruch der Dunkelheit zur Kuppel zurückkommen könnten. Ich möchte das Risiko nicht eingehen.«
Miles hatte nicht gedacht, dass ein Nachtflug so
gefährlich sein könnte, aber vielleicht war sich Vorsoisson seiner Beschränkungen bewusst. Und er hatte Frau und Kind an Bord, ganz zu schweigen von der ganzen kaiserlichen Bürde in den etwas wenig einnehmenden Personen von Miles und dem Professor. Aber überraschende
Inspektionen waren immer ein großes Vergnügen, wenn man die interessanten Dinge zutage fördern wollte. Er spielte mit dem Gedanken, auf seinem Wunsch zu
bestehen. Mit seiner Autorität als Auditor.
»Es wäre sicherlich interessant«, murmelte Venier. »Ich bin schon seit Jahren nicht mehr persönlich dort draußen gewesen.«
»Vielleicht ein andermal?«, schlug Vorsoisson vor.
Miles ließ es darauf beruhen. Er und Vorthys spielten hier Feuerwehrleute zu Besuch, nicht Generalinspektoren.
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Die wirkliche Krise hatte sich im Orbit ereignet.
»Vielleicht. Wenn Zeit dafür ist.«
Nach weiteren zehn Flugminuten erschien die Kuppel
von Serifosa am Horizont. In der zunehmenden Dämmerung wirkte sie riesengroß und spektakulär mit ihren glitzernden Lichterketten, ineinander verschlungenen Bubblecar-Rohren, dem warmen Schimmer der Kuppeln
und den funkelnden Türmen. Wir Menschen sind gar nicht so schlecht, dachte Miles, wenn man uns nur aus dem richtigen Blickwinkel sieht. Der Luftwagen glitt wieder durch die Fahrzeugschleuse und landete auf dem Pflaster der Garage.
Venier brachte den Luftwagen fort, Vorsoisson
sammelte die Sauerstoffmasken ein. Madame Vorsoissons Gesicht strahlte und glühte, angeregt von dem Ausflug nach draußen. »Vergiss nicht, deine Maske wieder an den Auflader anzuschließen«, zwitscherte sie ihrem Ehemann zu, als sie ihm die ihre reichte.
Vorsoissons Gesicht verdunkelte sich. »Nörgle – nicht –
an mir – herum«, flüsterte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Sie zuckte leicht zusammen, und es war, als fiel in ihrem Gesicht abrupt eine Jalousie herunter. Miles blickte zwischen den Säulen hindurch in die Ferne und gab höflich vor, nichts von diesem Zwischenspiel bemerkt oder gehört zu haben. Er war kaum ein Experte für eheliche Kommunikationsstörungen, doch selbst er konnte sehen, wie dieser Austausch hier schief gegangen war. Ihr vielleicht
unglücklich gewählter Ausdruck von Liebe und Interesse war bei dem offensichtlich angespannten und müden
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Vorsoisson als Kritik an seiner Kompetenz angekommen.
Madame Vorsoisson verdiente mehr Verständnis, aber
Miles konnte ihr keinen Rat anbieten. Er war bislang nicht einmal in die Lage gekommen, eine Ehefrau an sich zu binden, mit der er gestörte Kommunikation haben konnte.
Am Mangel an Versuchen hatte es nicht gelegen…
»Schon gut«, sagte Onkel Vorthys, der auch von Herzen so tat, als hätte er das Nebenspiel nicht mitbekommen.
»Wir werden uns alle besser fühlen, wenn wir ein kleines Abendessen intus haben, was, Ekaterin? Gestattet mir, dass ich euch alle zum Dinner ausführe. Hast du noch ein weiteres Lieblingslokal, das so großartig ist wie das, wo wir zu Mittag gegessen haben?«
Der Augenblick der Spannung erlosch in einer weiteren Debatte nach Betaner-Art über die Örtlichkeit für das Dinner; diesmal wurde Nikki von den Erwachsenen erfolgreich überstimmt. Miles war nicht hungrig. Für ihn war die Versuchung stark, Vorthys alle Datendisketten abzunehmen, die dieser im Laufe des Tages bekommen hatte, und dann wieder an die KomKonsole zu fliehen. Aber wenn er vielleicht zwei oder drei Drinks zu sich nahm, konnte er ein weiteres Abendessen mit der Vorsoisson-Sippe aushalten. Das letzte, so versprach er sich selbst.
Etwas beschwipster, als er es beabsichtigt hatte, entkleidete sich Miles für eine weitere Nacht in dem gemieteten Grav-Bett. Er häufte den neuen Stapel an Datendisketten auf die KomKonsole – die konnten bis zum Morgen warten, wenn es Kaffee gab und er wieder zusammenhängend denken
konnte. Das Letzte, was er tat, war, in seinem Koffer 103
herumzukramen und seinen Stimulator für kontrollierte Anfälle herauszuholen. Er saß mit gekreuzten Beinen auf dem Bett und betrachtete den Apparat düster.
Die Ärzte auf Barrayar hatten keine Heilmethode für die Anfälle gefunden, die
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