Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
stapfte wieder die Treppe hinauf.
Kareen versuchte, sich nicht wie ein unbefugter
Eindringling vorzukommen, und ging ihrer Schwester
voraus durch den Flur und die Küche und hinaus durch die Hintertür. Ekaterin kniete auf einer Unterlage neben einem erhöhten Blumenbeet und jätete Unkraut. Die ausgegrabenen Pflanzen lagen neben ihr auf dem Gartenweg, mit Wurzeln und Stängeln in Reihen wie hingerichtete - 424 -
Gefangene. Sie verwelkten in der sich nach Westen
neigenden Sonne. Ekaterins bloße Hand warf am Ende der Reihe eine weitere grüne Leiche auf den Boden. Ihre Aktivität wirkte therapeutisch. Kareen wünschte sich, sie selbst hätte im Augenblick etwas, das sie umbringen könnte. Von Martya abgesehen.
Auf den Klang ihrer Schritte hin blickte Ekaterin auf, die Andeutung eines Lächelns erschien auf ihrem bleichen Gesicht. Sie rammte ihren Hohlspatel in die Erde und stand auf. »Oh, hallo.«
»Hallo, Ekaterin.« Da sie bezüglich des Anliegens ihres Besuchs nicht zu arg mit der Tür ins Haus fallen wollte, fügte Kareen mit einer Armbewegung an: »Es ist hübsch hier.« Bäume und mit Weinranken überzogene Mauern machten aus dem kleinen Garten eine abgeschiedene Laube mitten in der Großstadt.
Ekaterin folgte ihrem Blick. »Das war ein Hobbyprojekt von mir, als ich Vorjahren als Studentin hier wohnte. Tante Vorthys hat die Gestaltung des Gartens mehr oder weniger beibehalten. Es gibt zwar ein paar Sachen, die ich jetzt anders machen würde… Wie dem auch sei«, sie zeigte auf das anmutige schmiedeeiserne Ensemble aus Tisch und Stühlen, »wollt ihr euch nicht setzen?«
Martya nahm die Einladung sofort an. setzte sich und
stützte ihr Kinn mit einem vernehmlichen Seufzer auf die Hände.
»Möchtet ihr etwas zu trinken? Tee?«
»Danke, nein«, erwiderte Kareen und setzte sich
ebenfalls. »Nichts zu trinken, nein danke.« In diesem
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Haushalt fehlten Bedienstete, die man zu solchen Aufgaben wegschicken konnte. Ekaterin würde gehen und eigenhändig in der Küche herumkramen müssen, um ihre Gäste zu bewirten. Und die Schwestern würden vor der
Entscheidung stehen, ob sie den Regeln des einfachen
Volkes folgen und mitgehen sollten, um Ekaterin zu helfen, oder den Regeln der verarmten Hohen Vor, nämlich sitzen bleiben und warten und so tun, als bemerkten sie nicht, dass es keine Bediensteten gab. Außerdem hatten sie gerade erst gespeist, und Kareen lag das Essen noch wie ein Klumpen im Magen, obwohl sie kaum darin herumgestochert hatte.
Kareen wartete, bis auch Ekaterin sich gesetzt hatte, dann brachte sie vorsichtig vor: »Ich bin einfach vorbeigekommen, weil ich herausfinden wollte – das heißt, ich hatte mich gefragt, ob du etwas aus dem… aus dem Palais Vorkosigan gehört hast?«
Ekaterin versteifte sich. »Nein. Hätte ich etwas hören sollen?«
»Oh.« Was, Miles, der Monomane, hatte sich noch nicht mit ihr versöhnt? Kareen hatte sich vorgestellt, wie er schon am nächsten Morgen an Ekaterins Tür erschien und wie verrückt Propaganda zur Schadensbegrenzung von sich gab. Nicht, dass Miles so unwiderstehlich war – sie selbst zum Beispiel hatte ihn immer ziemlich widerstehlich gefunden, zumindest im romantischen Sinn; nicht, dass er je eigentlich seine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hatte –, aber er war sicher der unnachgiebigste Mensch, dem sie je begegnet war. »Ich hatte gedacht – ich hatte gehofft –ich mache mir schreckliche Sorgen um Mark, weißt du. Es - 426 -
sind jetzt fast schon zwei Tage. Ich hatte gehofft, du hättest vielleicht… etwas gehört.«
Ekaterins Gesicht entspannte sich. »Ach so, Mark.
Natürlich. Nein. Tut mir Leid.«
Niemand sorgte sich genug um Mark. Die
Zerbrechlichkeit und die Bruchlinien seiner schwer
errungenen Persönlichkeit waren für sie alle unsichtbar.
Man lud auf ihn unmöglichen Druck und unerfüllbare
Anforderungen ab, als wäre er, nun ja, Miles, und man nahm an. er würde nie darunter zusammenbrechen …
»Meine Eltern haben mir verboten, jemanden im Palais
Vorkosigan anzurufen oder dort hinzugehen«, erklärte
Kareen mit gepresster Stimme. »Sie haben darauf
bestanden, dass ich ihnen mein Ehrenwort gebe, bevor sie mich überhaupt aus dem Haus ließen. Und dann haben sie mir noch eine Aufpasserin angehängt.« Sie wies mit einer Kopfbewegung in Richtung von Martya, die jetzt fast ebenso verdrießlich in sich zusammensackte.
»Es war nicht meine Idee, deine Leibwache zu machen«, protestierte Martya. »Durfte ich
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