Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
Ablenkung aus und griff erneut nach Nikkis Arm.
»Ha! Jetzt hab ich dich!«
»Au! Au! Au!«, schrie Nikki.
Vielleicht lag es daran, dass Vassily nicht das geübte elterliche Ohr besaß, das zwischen echtem Schmerz und bloßem Geschrei um des Effekts willen unterscheiden konnte, doch als Ekaterin grimmig vorstürzte, zuckte er zurück und lockerte unbewusst seinen Griff. Nikki riss sich los und rannte zur Treppe.
»Ich gehe nicht mit!«, schrie er über die Schulter zurück und flitzte die Treppe hoch. »Ich gehe nicht! Ich will nicht!
Du kannst mich nicht zwingen. Mama möchte nicht, dass ich gehe!« Oben angekommen, drehte er sich kurz um, als Vassily, der sich dazu hinreißen ließ, Nikki zu jagen, den Fuß der Treppe erreichte, und rief hinab: »Dir wird es noch Leid tun, dass du meine Mama unglücklich gemacht hast!«
Hugo, der zehn Jahr älter und weitaus erfahrener war, schüttelte verärgert den Kopf und folgte langsamer. Tante Vorthys, die sehr bekümmert und etwas grau im Gesicht aussah, bildete die Nachhut. Oben schlug eine Tür zu.
Ekaterin kam mit pochendem Herzen im oberen
Korridor an, als Vassily sich gerade über das Schlüsselloch der Tür zum Studierzimmer ihres Onkels beugte und am - 729 -
Türknopf rüttelte.
»Nikki! Mach die Tür auf! Sperr sofort auf, hörst du
mich?« Vassily drehte sich um und schaute Ekaterin
flehentlich an. »Tun Sie doch etwas!«
Ekaterin lehnte sich mit dem Rücken an die
gegenüberliegende Wand, verschränkte wieder die Arme
und lächelte langsam. »Ich kenne nur einen einzigen Mann, der einmal fähig war, Nikki zu überreden, dass er aus einem verschlossenen Zimmer herauskam. Und dieser Mann ist nicht hier.«
»Befehlen Sie ihm herauszukommen!«
»Falls Sie tatsächlich darauf bestehen, das Sorgerecht für ihn zu übernehmen, Vassily, dann ist das Ihr Problem«, sagte Ekaterin kühl. Und zwar das erste von vielen, ließ sie unausgesprochen im Raum stehen.
Hugo, der atemlos die Treppe heraufgestapft kam,
bemerkte: »Am Ende beruhigen sie sich und kommen
heraus. Eher noch, wenn es drinnen nichts zu essen gibt.«
»Nikki«, sagte Tante Vorthys distanziert, »weiß, wo der Professor seine Kekse versteckt.«
Vassily richtete sich auf und starrte auf das schwere Holz und die alten eisernen Beschläge. »Wir könnten sie vermutlich aufbrechen«, sagte er zögernd.
»Nicht in meinem Haus, Vassily Vorsoisson!«, erklärte Tante Vorthys.
Ärgerlich machte Vassily eine Geste in Ekaterins
Richtung. »Dann holen Sie einen Schraubenzieher.«
Ekaterin bewegte sich nicht. »Suchen Sie ihn doch
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selbst.« Sie stümperhafter Schwachkopf, fügte sie zwar nicht laut hinzu, aber man konnte es sich hinzudenken.
Vassily errötete wütend, doch er bückte sich wieder zum Schlüsselloch. »Was tut er dort drinnen? Ich höre Stimmen.«
Hugo bückte sich ebenfalls. »Ich glaube, er benutzt die KomKonsole.«
Tante Vorthys blickte kurz durch den Korridor zu ihrer Schlafzimmertür. Von dort gab es eine Tür zum Bad, und von dort eine weitere Tür ins Studierzimmer des Professors. Nun ja, wenn Tante Vorthys die beiden Männer, die jetzt ihre Ohren an die Tür drückten, nicht auf diesen anderen und unbewachten Zugang aufmerksam machte, warum sollte Ekaterin es dann tun?
»Ich höre zwei Stimmen? Wen in aller Welt könnte er
über die KomKonsole anrufen?«, fragte Vassily in einem wegwerfenden Ton, der nicht zu einer Antwort einlud.
Plötzlich dachte Ekaterin, sie wüsste es. Ihr stockte der Atem. »Ach«, sagte sie leise, »du meine Güte.« Tante Vorthys starrte sie an.
Einen hysterischen Moment lang überlegte Ekaterin, ob sie sich umdrehen und durch die andere Tür stürzen sollte, um die KomKonsole auszuschalten, bevor es zu spät war.
Doch das Echo einer lachenden Stimme hallte ihr durch den Kopf…. Schauen wir mal, was passiert.
Ja, schauen wir mal.
Einer der mit Boriz Vormoncrief verbündeten Grafen
schwadronierte im Sprecherkreis vor sich hin. Miles
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überlegte, wie lange diese Verzögerungstaktik noch
andauern konnte. Gregor wirkte allmählich enorm
gelangweilt. Der persönliche Gefolgsmann des Kaisers
erschien aus dem kleinen Konferenzraum, stieg auf das Podium und murmelte etwas in das Ohr seines Herrn.
Gregor blickte kurz überrascht drein, erwiderte einige Worte und winkte den Mann fort. Dann machte er eine kleine Geste in Richtung des Lordwächters des Sprecherkreises, der daraufhin zu ihm trat. Miles straffte sich. Er
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