Vorsaison
Telefonanschluss.
Ernie hatte sogar die Nummer und sagte, er habe diese seinen Eltern gegeben für
Notfälle. Er hätte das mit den Vermietern so abgesprochen. Das Ehepaar, von
denen er sein piso mietete, war schon älter und hatte wohl auch keine
eigenen Kinder. Ich wusste aber, dass sie Ernie sehr mochten und da sie sowieso
fast den ganzen Tag zu Hause waren, machte es ihnen bestimmt nichts aus, Ernie ans
Telefon zu holen, wenn jemand für ihn anrief. Ernie war sich aber sicher, dass
sie mir diesen Dienst ebenfalls erweisen würden und ich nahm mir vor, sie
gleich bei nächster Gelegenheit darum zu bitten. Es wäre wirklich nicht schlecht,
wenn ich Sonja eine Telefonnummer geben könnte, wo sie mich gleich erreichte. Ich
hatte Ernies Vermieter schon mal im Treppenhaus gesehen und bei dieser
Gelegenheit hatte Ernie mich ihnen gleich als seine zukünftige Untermieterin
vorgestellt. Daraufhin hatte die Frau angefangen zu kichern und ihr Mann hatte
Ernie zugezwinkert. Ich schloss daraus, dass Ernie noch nie zu vor ein Zimmer
an ein Mädchen untervermietet hatte und auch, dass seine Vermieter nicht wussten,
dass er wohl eher auf Männer stand.
Ich fragte Ernie nach Hermann. Ernie verzog
das Gesicht und zuckte die Schultern. Dann meinte er, da sei alles noch beim
alten. Detlef würde Hermann zwar jeden Tag aufs Neue verfluchen, weil er so ein
fauler Hund sei, aber Hermann käme mit seinen blonden Haaren nun mal besser bei
den alten Französinnen an als Maurice oder die Spanier, die Detlef sonst noch so
als Aushilfen für seine Verkaufsveranstaltungen beschäftigte — und das, obwohl
Hermanns Französisch genauso grottenschlecht wie sein Spanisch sei! Ernie sagte,
es sei aber trotzdem nur noch eine kurze Frage der Zeit, bis Detlefs und
Hermanns Wege sich trennten.
>>Entweder Detlef findet Ersatz
für Hermann, jetzt wo die neue Saison vor der Tür steht, oder Hermann findet
Ersatz für Detlef — jetzt wo die neue Saison vor der Tür steht<<, sagte
Ernie sarkastisch. Ernie meinte dann, dass auch Maurice bestimmt bald bei
Detlef kündigen würde, um wieder als Propagandachef für das „Highwayman“ in
Calella zu arbeiten. Dabei warf er mir einen Seitenblick zu, den ich
ignorierte.
Ernie wechselte das Thema und während
er café nachschenkte, erklärte er, dass Peter jetzt jeden Abend kochen
würde und Graham nun als Koch für Detlef arbeitete. Dafür hätte Detlef ihm eigens
eine Vespa gekauft, mit der Graham nun fast jeden Morgen nach Lloret Blau fuhr
und ein echtes, englisches Frühstück vorbereitete. Dann, nachdem die Meute aus dem Haus war, fuhr er nach Fenals zum Supermarkt und kaufte ein. Abends
kochte er ebenfalls für Detlef und die anderen, bevor er wieder nach Lloret
zurückfuhr.
>>Und das jeden Tag?<<,
wollte ich wissen und Ernie nickte. Er meinte, Grahams Frühstück sei echt die
Wucht.
>>Aber das findest du ja noch
früh genug selbst heraus — wenn du mal wieder mit Maurice das Bett teilst.<<
Ernie warf mir erneut einen Blick von
der Seite zu, aber so einfach ließ ich mir nichts aus der Nase ziehen! Stattdessen
bemerkte ich, dass Graham sich dann aber einen ziemlich stressigen Job zugelegt
hatte, wo er doch eigentlich lieber den Müßiggang pflegte. Ernie nickte und sagte,
er hätte die Vermutung, dass Graham sich ein wenig dazuverdienen wolle. Er
glaubte, dass Graham vorhabe, Spanien bald wieder zu verlassen. Jedenfalls habe
er sich aus England ein polnisches Lexikon und ein polnisches Wörterbuch
schicken lassen.
Dann kam Peter zurück, beladen mit
Tüten aus dem „Super Maso“ und jeder Menge Bier! Ernie warf einen Blick auf die
Uhr und sagte, dass er los müsste. Heute war ja Samstag und Ernie musste raus
zum Proppen. Er versprach aber pünktlich um acht zum Essen zurück zu sein. Ich
wusste noch nicht so richtig, was ich mit Peter anfangen sollte, und
entschuldigte mich deshalb erst einmal damit, dass ich noch meine Sachen
auspacken müsste. Ich hatte mir aber vorgenommen, erst einmal nur das Nötigste
auszupacken und abzuwarten, wie sich hier alles so entwickelte. Ich überlegte
auch, auf einen Sprung bei Corinna vorbeizuschauen, aber entweder war sie bei
Paco oder sie lag wohlmöglich noch im Tiefschlaf. Später wollte ich aber auf
jeden Fall ins „Hollywood“, bevor morgen wieder mein Job im „Mau-Mau“ auf mich
wartete. Weil ich auch nicht die ganze Zeit über auf meinem Zimmer hocken
wollte, ging ich schließlich ins „Canaletas“, einem Café auf dem
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