Vorsicht Nachsicht (German Edition)
daran erinnern. Außerdem bin ich bisher auch gut ohne eine Glucke ausgekommen. Ich bin durchaus in der Lage, allein mit meinem Leben klarzukommen.
»Hör einfach auf, dich da einzumischen«, bitte ich ihn kühl.
»Werde ich nicht! Mensch, Ruben! Es gibt Leute, die tun auch einfach nur nett, wenn sie etwas haben wollen.«
»Ach?« Natürlich weiß ich das selbst.
»Ja: Ach! Verdammt! Und Kilian gehört zu dieser Kategorie.«
»Erzählst du mir auch noch was Neues?«, frage ich bewusst ätzend.
Es entsteht eine kleine Pause, doch dann schreit Torben regelrecht durch den Hörer: »Du willst es wohl nicht kapieren?! Er hat dich bezahlt ! Ich war Opfer seiner blöden Wette! Er fickt jeden , der ihn fragt! Er ist ein verdammtes Arschloch ! Du bist viel zu schade für so einen!«
Ich lege auf. Das will ich nicht hören. Vor allem ist es wirklich immer wieder das Gleiche. Keine fünf Minuten später klingelt das Telefon erneut.
Ärgerlich nehme ich ab und fauche: »Es ist mir egal, Torben! Vielleicht geht es mir ja auch nur um den Sex!«
Am anderen Ende ist es erst einmal still. Je länger das Schweigen anhält, desto stärker wird mein Verdacht, dass es sich bei dem Anrufer keineswegs um Torben handelt. Mit eiskaltem Grausen wird mir bewusst, wem ich just an diesem Morgen meine Nummer gegeben habe.
»Hier ist nicht Torben.« Mir fällt beinahe ein Stein vom Herzen, als die Stimme meiner Mutter erklingt und nicht Kilians. Aber dann wird mir bewusst, dass das nur minimal besser ist. Vielleicht nicht so peinlich, aber dennoch richtig übel.
Ich schlucke. »Oh, hallo. Entschuldige… ich habe…«
»Ich will das nicht hören«, unterbricht sie mich streng.
Natürlich.
Dennoch erkläre ich lahm. »Torben und ich haben uns nur gestritten. Wie geht’s euch?«
»Gut. Sonntag ist bei Oma Hannelore Familienessen.«
»Warum?«, wundere ich mich.
»Wegen dem Todestag von deinem Großvater.« Sie klingt sehr vorwurfsvoll.
Ich habe schon genug Probleme, mir die Geburtstage zu merken. Der Todestag eines Großvaters, der gestorben ist, als ich erst vier war, erscheint mir da nicht so wichtig. Auch wenn es ihr Vater gewesen ist. Dennoch gebe ich mich reumütig.
»Oh, ja, tut mir leid. Um wie viel Uhr denn?«
»Wir fahren um elf. Komm doch bei uns vorbei, damit wir gemeinsam hinfahren können.«
Ich zögere. Samstag bin ich mit Kilian verabredet. Es wäre schön, mit ihm zusammen auszuschlafen und zu frühstücken. Wenn ich aber schon so früh weg muss, wird es ziemlich ungemütlich. Allerdings fällt mir auf die Schnelle auch keine Ausrede ein, die meine Mutter zufrieden stellen würde.
»Okay… Mach‘ ich. Aber ich kann nicht so lange. Es sind momentan Prüfungen und ich muss lernen.«
»Wie läuft es denn?«
»Ganz gut.«
»Wie lange musst du noch?«
»Vier Semester.«
»Ach ja.«
Die Unterhaltung ist so steif und anstrengend. Ich fühle mich unwohl dabei und bin froh, wenn ich endlich auflegen kann. Meine Mutter anscheinend auch.
»Wir sehen uns ja am Sonntag. Reden wir dann weiter.«
»Hm ja. Bis dann«, verabschiede ich mich.
»Bis Sonntag. Um elf.«
Die Erinnerung war unnötig. Seufzend lege ich auf und bemerke, dass meine Ohren vor Scham brennen. Ich habe meiner Mutter gerade gesagt, dass es mir nur um den Sex geht. Selbst wenn ich hetero wäre, wäre das peinlich. Verdammt! Torben, du Arsch. Warum mischt er sich auch in alles ein? Es geht ihn überhaupt nichts an.
Das Telefon klingelt schließlich noch einmal an diesem Abend. Es ist schon nach zehn Uhr. Diesmal melde ich mich mit meinem Namen. Einfach aus reiner Vorsicht. Schließlich lernt man aus seinen Fehlern. Ist auch gut so, denn es ist tatsächlich Kilian.
»Hey, wie geht’s?«, erklingt seine Stimme sanft. Es ist grotesk, was es mit mir anstellt, nur seine Stimme zu hören. Meine Ohren fangen an, zu glühen, und mein Magen wird ganz kribbelig. Ich schließe meine Augen und versuche, mich zusammenzureißen.
»Ganz gut. Und dir?«
»Wunderbar, jetzt, wo ich deine Stimme höre.« Er lacht und entschärft damit das Klischee seiner eigenen Aussage. Doch Klischee oder nicht, mir geht es genauso. Ich fühle mich auch wunderbar, jetzt, wo ich mit ihm sprechen kann. Natürlich könnte ich ihm das nie so locker erzählen. Würde auch nie auf die Idee gekommen.
»Wir hatten für Samstag noch gar keine Uhrzeit ausgemacht«, stellt er fest. »Du musst doch nicht arbeiten, oder? Wollen wir in die Abend- oder Spätvorstellung gehen?«
»Abend«,
Weitere Kostenlose Bücher