Vorstadtkrokodile 3 - Freunde für immer
Transplantation hatte hervorragend geklappt. Während Dennis wieder im Gefängnis saß, war er aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es würde zwar noch ein paar Nachuntersuchungen geben, reine Routine, wie die Ärztin gesagt hatte, aber ansonsten war alles okay.
Die Krokos ließen die Füße und die Seele baumeln. Der See gehörte ihnen fast allein.
Frank kaute mit vollen Wangen und langte gleich noch einmal in die Jumbo-Packung mit den Gummikrokodilen, ehe er sie herumreichte.
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich ich bin, dass du wieder Hunger hast«, sagte Hannes.
»Irgendwie muss ich ja die Kilos wieder draufkriegen, um wieder ganz der Alte zu sein«, erwiderte Frank mit vollem Mund.
Die Krokodile schmunzelten. Doch wenn man genauer hinsah, entdeckte man eine große Portion Nachdenklichkeit in ihren Gesichtern. Die zurückliegenden Ereignisse waren an keinem von ihnen spurlos vorübergegangen. Kai sprach aus, was die anderen bloß dachten: »So wie früher wird’s nie wieder sein …«
Nur Jorgo konnte oder wollte das so nicht hinnehmen.
»Du redest wie mein Opa …«, widersprach er.
»Aber es stimmt«, meinte Olli. »Als wir Dennis ins Gefängnis gesteckt haben, waren wir noch voll die Kinder.«
Maria nickte nachdenklich. »Schon Wahnsinn, was zwei Jahre ausmachen.«
Und Hannes verblüffte seine Freunde mit einer philosophischen Erkenntnis.
»Damals sind die Abenteuer zu uns gekommen«, sagte er. »Jetzt müssen wir sie herausfordern.«
Die Krokodile sahen ihn erstaunt an.
»Die Aktion mit Frank hätte richtig schiefgehen können«, fuhr Hannes weniger philosophisch, aber dafür verständlicher für seine Freunde fort. »Das war echt ein Fehler.« Er blickte in die Runde. War jemand anderer Meinung? Wollte jemand das Geschehene schönreden? Anscheinend niemand.
»Ich glaube, die Zeit der Kinderbanden ist vorbei«, beendete er seine kleine Rede.
Dafür bekam er keinen Applaus, aber auch keine Widerworte.
»War jedenfalls ’ne geile Zeit«, stellte Kai fest.
Da nickten alle. Und Peter setzte noch einen drauf.
» V… Voll geil«, sagte er.
Hannes zog auf einmal seinen Kroko-Anhänger aus und zeigte ihn den anderen.
»Den Anhänger vom Dach zu holen, war das Beste, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe«, sagte er. »Weil ich dadurch euch kennengelernt habe.«
Sie lächelten. Und dachten an Hannes’ Mutprobe damals. Und wie er an der Dachrinne an der Bauruine hing. Als er schließlich den Kroko-Anhänger vom Dach geholt hatte, war er das siebte Mitglied der Bande geworden. Aber das war schon lange her.
»Als ich damals hergezogen bin, hätte ich jedenfalls nie gedacht, einmal so gute Freunde zu finden«, sagte Kai.
»… dass es so gute Freunde überhaupt gibt«, meinte Jenny.
»D… Die einen so akzeptieren, wie man i… ist«, ergänzte Peter.
»Und die alles für einen tun«, sagte Frank.
Jetzt zog auch Olli seinen Anhänger über den Kopf. Mit einem Seitenblick auf Jorgo sagte er: »Noch so ’n Opaspruch ist: Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist.«
Alle sahen ihn an. Aufhören? Wirklich aufhören? Und was kam dann? Das Erwachsenwerden? Die große Leere?
»Seien wir doch mal ehrlich: Nach und nach wird jeder von uns seinen eigenen Weg gehen«, erklärte Olli.
Alle wussten, dass er recht hatte damit. Aber musste das jetzt schon sein? Und so plötzlich? Gab es nicht doch die Möglichkeit zu einer Verlängerung, nur eine klitzekleine?
»Aber das, was wir als Krokodile miteinander erlebt haben, kann uns keiner wegnehmen«, sagte Hannes. »Nie. Das gehört für immer uns.«
Abschied. Das war nicht schwer zu verstehen. Etwas hatten sie gerade hinter sich gelassen. Dabei hatte das Neue noch nicht einmal richtig begonnen, waren sie vielleicht auch noch gar nicht richtig bereit dafür. Aber Olli hatte recht, jeder begann, langsam seine eigene Vorstellung von dem zu entwickeln, was da jetzt vor ihnen lag. Genauso wie irgendwann auch jeder seine eigene Erinnerung an die Vergangenheit habe würde. Jeder würde die Geschichten mit anderen, seinen Worten erzählen, sie verändern oder gar neu erfinden.
Auch die anderen zogen jetzt ihre Anhänger aus und hielten sie in der Hand. Im stillen Einvernehmen streckten sie die Fäuste zusammen.
»Freunde für immer?«, fragte Hannes in die Runde.
»Freunde für immer«, sagte Kai.
Und alle anderen wiederholten laut: »Freunde für immer.«
Weitere Kostenlose Bücher