Vorstadtkrokodile 3 - Freunde für immer
vertreiben.
Dennis kniete in seiner Zelle auf dem Boden. Das doppelstöckige Bett war vorgezogen, sodass er genügend Platz zum Arbeiten hatte.
Mit einem Löffel bemühte er sich, ein Loch in die poröse Wand vor ihm zu schaben. Ungefähr 30 Zentimeter hatte er sich bereits vorgearbeitet. Ein Spaß war die Arbeit wirklich nicht.
Während Dennis sich abmühte, saß sein Freund und Zellengenosse Kevin an einem kleinen Tisch, auf dem Bücher und Hefte ausgebreitet lagen. Er war in ein Buch vertieft. Dennis’ Kumpel war hinter Gittern kaum dünner geworden. Allerdings trug er inzwischen eine Brille.
So richtig konzentrieren konnte Kevin sich nicht. Dennis’ Geschabe machte ihn sichtlich nervös. Die Zellentür stand offen. Jeden Augenblick konnte jemand hereinplatzen.
Dennis zog einen langen, rostigen Nagel aus seinen Haaren und versuchte, ihn mit dem Löffel in die Wand zu klopfen.
Man sah ihm an, wie ihn das anstrengte. Er schwitzte. Auf einmal stieß er auf etwas Hartes. Metall? Etwas anderes konnte es schlecht sein.
»Scheiße!«
Mit dem Löffel hämmerte er dagegen. Nichts passierte. Dafür hätte er schon einen richtigen Hammer gebraucht. Er legte eine Pause ein und kam hinter dem Bett hervor.
»Mann, scheiße, Mann«, schimpfte Kevin. »Sag doch Bescheid, bevor du rauskommst.« Mit dem Buch in den Händen, hechtete er zur Tür und schaute sich ängstlich auf dem Gang um. Erleichtert stellte er fest, dass die Luft rein war.
»Erst in zwei Jahren«, sagte Dennis.
»Wie jetzt? Du bist doch gerade eben rausgekommen.« Kevin blickte verwirrt.
»Aus dem Gefängnis, Alter, aus dem Gefängnis komm ich erst in zwei Jahren … offiziell zumindest …«, seufzte Dennis.
»Dann versuch doch, einen auf gute Führung zu machen«, riet Kevin seinem Kumpel. »So … so … so legal …«
Dennis schnappte sich das Bürgerliche Gesetzbuch, einen dicken Wälzer, der auf dem Fensterbrett über dem Tisch lag. Dann drehte er sich wieder zu Kevin um.
»Der alte Hartmann hat mich auf’m Kieker, der wird mir alles bescheinigen, nur keine gute Führung«, meinte Dennis trocken.
Dann verschwand er mit dem BGB wieder hinter dem Bett. Wenn er hier rauswollte, konnte er sich nur auf sich selbst verlassen.
In dem Augenblick kam Direktor Hartmann an der Tür vorbei. Er hatte eine sorgfältig polierte Glatze, trug einen Anzug und war insgesamt eine gepflegte Erscheinung. Kevin hielt sein Buch in die Höhe und lächelte verlegen.
»Einen wunderschönen guten Tag, Herr Direktor Hartmann«, wünschte er etwas verkrampft.
Der Direktor blieb kurz stehen und musterte den Häftling. Kevins ausgesuchte Höflichkeit schien den Direktor nicht im Geringsten zu beeindrucken.
»Kevin, du kannst lernen, so viel du willst, deinen Hauptschulabschluss schaffst du eh nicht«, sagte er eiskalt und ging weiter.
Kevin klappte der Unterkiefer runter. Er drehte sich zur Zellenwand. Dort arbeitete Dennis hartnäckig weiter, als ob nichts geschehen wäre. Mit dem Buch musste es doch klappen. Er holte aus und drosch das Bürgerliche Gesetzbuch auf den Nagel. Einmal, zweimal, dreimal … dann spürte er, wie der Nagel nachgab.
» YES !«
Das war ein Geräusch, das Dennis hören wollte. Er hatte es geschafft. Der Freiheit ein Stück näher!
Plötzlich traf ihn ein Wasserstrahl mitten ins Gesicht.
»Oh, nein!«
Panisch versuchte Dennis, das Loch im Rohr abzudichten, doch dabei brach es nun vollständig.
»Dennis, du bist verrückt«, rief Kevin, dem das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand.
Das war’s dann wohl. Es würde bestimmt nicht lange dauern, bis Hartmann bemerkte, dass Dennis ihre Zelle unter Wasser gesetzt hatte.
Inzwischen war Direktor Hartmann von dem Rund gang in sein Büro zurückgekehrt und entspannte sich zu den Klängen klassischer Musik. Hinter ihm lächelte die Kanzlerin von einem Foto an der Wand.
Hartmann hatte sein Jackett abgelegt und sich weiße Handschuhe übergezogen. Jetzt nahm er eine der gerahmten Urkunden, die neben dem Bild der Kanzlerin hingen, und legte das wertvolle Stück behutsam wie ein Baby auf seinen Schreibtisch. Vorsichtig öffnete er den Rahmen. Gedankenversunken schaute er auf den Bundes adler und las dann andächtig den Text, den er auswendig kannte. Es war eine Auszeichnung für die ausbruchsicherste Justizvollzugsanstalt Deutschlands … versehen mit der Unterschrift der Kanzlerin, direkt neben seinem Namen, ebenfalls mit einem Füller geschrieben. Wenn das kein Grund war, stolz zu
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