Voyager 012 - Der Garten
zu beschaffen – uns sind hier die Hände
gebunden. Wir haben kein Recht, irgendeine Art von Einfluß auf
die Kultur der Kirse zu nehmen. Dies ist eine völlig fremde
Zivilisation, die wir nicht verstehen und auch gar nicht
verstehen können. Wir wissen nichts von der Moral und Ethik
dieses Volkes. Wir haben keine Möglichkeit zu beurteilen, was
die Kirse tun und lassen sollten. Wir stehen zu sehr außerhalb
ihrer Kultur, und von einer solchen Position aus kann man nichts
auf Dauer ändern, ganz gleich, wie gut die Absichten sind.
Darauf läuft die Erste Direktive hinaus. In der Geschichte der
Föderation hat sich mehrmals herausgestellt, wie wichtig dieses
Nichteinmischungsprinzip ist. Zu Beginn meines Starfleet-
Dienstes habe ich geschworen, die Bestimmungen der Ersten
Direktive zu beachten, selbst dann, wenn sie mir falsch
erscheinen. Ich habe nicht die Absicht, diesen Eid jetzt zu
brechen.«
Janeway schwieg und lauschte dem Klang der eigenen Worte.
Sie klangen viel zu hochtrabend und schwülstig, wenn man sie
hier aussprach, in der Umlaufbahn einer Welt, die nie zuvor
etwas von der Föderation gehört hatte.
Sie musterte Chakotay und fragte sich, ob sie genug oder
vielleicht zuviel gesagt hatte. Hatte es einen Sinn zu versuchen,
einen Maquisarden mit Starfleet-Grundsätzen zu überzeugen?
Der Erste Offizier nickte langsam, und Janeway biß sich auf
die Zunge, zwang sich, auch weiterhin geduldig zu sein und zu
warten.
»Sie haben recht«, erwiderte Chakotay schließlich. »Vielleicht
war mir das sogar von Anfang an klar. Wie dem auch sei: Ich
kann das Verhalten der Kirse nicht billigen. Es ist falsch.«
»Ja.« Janeway zögerte und befürchtete, zuviel von ihren
eigenen Empfindungen verraten zu haben.
»Wie soll ich mit so etwas leben?« fragte Chakotay leise.
In diesen Worten hörte Janeway einen Schmerz, der sie selbst
vor vielen Jahren gequält hatte. Erinnerungen daran stiegen in
ihr empor.
»Sie setzen Ihr Leben einfach fort.« Die Kommandantin
lächelte erneut, als sie Überraschung im Gesicht des Ersten
Offiziers sah. »Vor langer Zeit habe ich jemandem die gleiche
Frage gestellt, und ich bekam diese Antwort. Damals verstand
ich sie nicht, aber schließlich ergab sie einen Sinn. Setzen Sie
Ihr Leben fort.«
»Damals haben Sie sich vermutlich etwas anderes erhofft«,
sagte Chakotay, und auch seine Lippen formten nun ein
Lächeln.
»Ja.« Janeway entsann sich auch an ein Lied, leise und traurig,
gesungen von einer Frau. Eine Stelle des Textes hatte einen
festen Platz in ihrem Gedächtnis gefunden: Manche Tage muß
man einfach irgendwie überstehen.
Sie verdrängte die Erinnerungen, als Chakotay aufstand.
»Vielen Dank, daß Sie sich Zeit für mich genommen haben,
Captain.«
Es waren förmliche Worte, aber es kam auch Wärme in ihnen
zum Ausdruck.
»Chakotay?«
»Captain?« Er blieb in der Tür stehen.
»Was hielten Sie von den Kirse, bevor diese Sache bekannt
wurde?«
»Nun…« Der Erste Offizier schmunzelte einmal mehr.
»Vorher habe ich Schlüsselhüter und die anderen Kirse
gemocht. Vermutlich liegt da das Problem.«
Er trat in den Korridor, und die Tür schloß sich hinter ihm.
Janeway blieb sitzen und starrte ins Leere. Er hat recht, fuhr es ihr durch den Sinn. Zumindest ein Teil des Problems liegt darin, daß uns die Kirse so sympathisch erscheinen. Auch deshalb
schmerzt es so zu sehen, was sie mit den Gärtner-Wesen
angestellt haben. Doch es gab keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern.
»Ich weiß, was Sie meinen, Chakotay«, murmelte Janeway.
»Ich mag die Kirse ebenfalls.«
Es blieb ihnen tatsächlich keine Wahl, denn die Voyager befand sich in einer ›aussichtslosen Situation‹, wie es Chakotay genannt
hatte. Es fiel Janeway schwer, die Ungewißheit aus sich zu
verbannen, als sie auf der Brücke des Schiffes vor den
Hauptschirm trat, um erneut mit den Kirse zu sprechen. Ich muß
vor allem an die Crew denken, dachte sie. Dort liegt meine wichtigste Verantwortung.
Doch diese Überlegungen spendeten kaum Trost.
»Die Verbindung ist hergestellt, Captain«, meldete Kim.
Janeway nickte ihm zu und straffte die Schultern. »Danke, Mr.
Kim.«
Konturen bildeten sich in der bunten Statik des Kirse-
Kommunikationssystems, formten das Gesicht von
Unnachgiebig.
»Ich grüße Sie, Captain Janeway.«
»Ich erwidere Ihren Gruß, Unnachgiebig.«
»Hatten Sie inzwischen Gelegenheit, die Proben zu
untersuchen?« fragte das Oberhaupt
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