Wachgeküßt
hat sich als französische Nutte mit megahohen schwarzen Stöckelschuhen verkleidet. Eine schwarze Baskenmütze sitzt keck auf seinem Kopf. Dazu kommen eine glatte, schwarze Bubikopfperücke, ein kurzer, enger, schwarzer Rock, der über einem der muskulösen Oberschenkel geschlitzt ist, und eine durchsichtige Bluse, die den Blick auf einen BH freigibt, der für einen Busen, mit dem man Elefanten stillen kann, gemacht worden sein muß. Darin stecken zwei rosa Luftballons.
Ich habe Erika zuliebe versucht, meine Abneigung zu überwinden, aber ich habe immer noch Zweifel in bezug auf ihn, und die werden durch sein Auftreten heute abend noch verstärkt... Es ist einfach so, daß er es genießt, sich als Frau zu kleiden. Also nicht so wie alle anderen, die einfach Spaß haben und sich amüsieren wollen. Er genießt diese Maskerade ganz offensichtlich. Alles ist aus Seide: die Strümpfe, der kurze, geschlitzte, schwarze Rock, die weiße Bluse. Ich wette, sogar seine Wäsche ist aus Seide. Die einzige Ausnahme ist die Baskenmütze, die aus Filz ist.
Er hat diese Art Lächeln aufgesetzt, das normalerweise Frauen gebrauchen, wenn sie wissen, daß sie gut ausehen.
Er meint, daß er als Frau gut aussieht.
Ich habe mir schon vorher um meine Schwester Sorgen gemacht, aber das ist der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt.
»Rics! Hi! Wow, du siehst super aus. Wie wär’s mit was zu trinken?« Ich schieße vom Sofa hoch, packe ihre Hand und schleife meine Schwester, die vor Überraschung ganz baff ist, an meinen Lieblingsplatz dieses Abends, die Küche. Ich bin wild entschlossen, einen allerletzten Versuch zu unternehmen, sie zur Vernunft zu bringen.
Dummerweise folgt Larry uns. Er läuft ihr hinterher wie ein Lämmchen.
Larry das Lamm – langsam am Spieß gegrillt und dann mit Minzsoße serviert.
»Was ist denn bloß los?« fragt Erica.
Larry hakt sich wieder bei ihr unter und lächelt mich, wie er wohl denkt, milde und nachsichtig an.
»Nichts«, erwidere ich gereizt und versuche krampfhaft, sie nicht zu wütend anzustarren. »Ich wollte nur kurz mit dir reden.«
»Gut.« Jetzt lächelt auch Erica mich milde und nachsichtig an. »Dann leg mal los.«
»Äh... unter vier Augen. Du verstehst schon, ist was Privates.«
Erica lächelt, doch sie preßt die Zähne aufeinander. Wahrscheinlich vermutet sie, daß ihr wieder mal eine Standpauke über die alles andere als schönen Seiten an Larrys Charakter bevorsteht.
»Es ist doch sicher nichts, das du mir nicht auch in Gegenwart von Larry sagen könntest, oder?«
O doch, sogar eine ganze Menge. Zum Beispiel: Larry ist ein Depp, Larry ist ein vollkommener, totaler Idiot, Larry ist eine gemeine, runzlige, infizierte Hautschuppe am After der Menschheit. Ich würde mir schon zutrauen, ihm das ins Gesicht zu sagen, aber ich glaube, dann würde er mich schlagen oder so was.
»Willst du meine Meinung hören?« Teuflisch grinst Erica mich an, während ich schweigend vor ihr stehe und versuche, die geballte Ladung Schimpfwörter in einen wiederholbaren Satz zu
pressen. »Ich glaube, ich muß mal kurz mit Jem reden. Warum unterhältst du dich nicht ein bißchen mit Larry, während ich weg bin? Damit ihr euch mal richtig kennenlernen könnt?«
In anderen Worten: Sie unterstellt mir, daß ich in bezug auf Larry völlig falsch liege, und daß er gar nicht der totale Schleimscheißer ist, für den ich ihn halte.
Ihr Blick signalisiert »Rede mit ihm«, dann hat sie den Raum verlassen.
Ich ignoriere Ericas rollende Augäpfel und die Anweisung, schnappe mir eine bisher unbemerkte Flasche Wodka und schenke mir großzügig ein.
Trotz des offensichtlichen Drangs, sich ständig über die eigenen Schenkel zu streichen, scheint Larry sich heute abend bestens benehmen zu wollen. Kaum ist Erica aus dem Raum, versucht er, sich bei mir einzuschleimen.
»Deine Schwester ist toll, findest du nicht?« schwärmt er.
»Ich nehme es an«, entgegne ich kühl, starre an ihm vorbei und schlucke den unverdünnten Wodka, als würde mein Leben davon abhängen.
Er kratzt sich am Hals und runzelt die Stirn auf der Suche nach weiterem Gesprächsstoff.
»Sieh mal, Alex, ich glaube, das mit uns ist ungünstig gelaufen.«
»Genau so ist es, Larry«, schnauze ich, »und >gelaufen< ist mit uns gar nichts. Entgegen der Gerüchte, die du ausgestreut hast.«
»Ach, das? Ha ha.« Er ist unangenehm berührt. »Deshalb bist du doch nicht mehr sauer, oder? War doch nur ein kleiner Scherz im Büro. Männer
Weitere Kostenlose Bücher