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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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eintrifft.«
    Das, ob nun falsch oder richtig, war ihre Lebenseinstellung.
    Sie diskutierten lange über die Wahl der zukünftigen Ehefrau.
    Augustas Vorschlag sagte Byron zu: Lady Charlotte Leveson-Gower, eine entfernte Verwandte, die Nichte von Lord Carlisle.
    Er argwöhnte, daß Augusta ihn auf diese Art mit den Howards versöhnen wollte. Aber warum eigentlich nicht? Lady Charlotte war Augustas Freundin, und »was auch immer sie liebt, mag ich ebenfalls«, wie er an Lady Melbourne schrieb. Da sich anläßlich der Feier des Sieges über Napoleon nicht nur fast der gesamte englische, sondern auch der kontinentale Adel in London aufhielt, ergab sich ein paarmal die Gelegenheit zu einem unauffälligen Treffen.
    In der Tat besuchte Byron eigentlich nur Lady Charlottes wegen die zahlreichen Bälle und Veranstaltungen des »Sommers der Souveräne«, wie er ihn nannte, denn die Art, wie man diesen nationalen Triumph zur Schau trug, stieß ihn ab. Der Prinzregent hatte sich seinen fürstlichen Gästen zuliebe sogar eine standesgemäßere (und glänzendere) Mätresse zugelegt, Lady Jersey, und bedauerte nur, daß sein Stolz es ihm verbot, Beau Brummel für seine unersetzlichen Ratschläge in Fragen des Geschmacks zurückzuholen.
    Lady Charlotte war wirklich der einzig erfreuliche Anblick in dieser Gesellschaft. Byron fand sie zwar etwas schüchtern und verlegen, aber doch liebenswert. Sie erinnerte ihn ein wenig an ein scheues Reh, mit riesigen Augen, und er konnte sich gut vorstellen, sie gern zu haben und sich sogar etwas in sie zu verlieben.
    Es gab aber noch eine Alternative. Die Prinzessin der Parallelogramme hatte ihren Vater bewegt, Byron offiziell zu sich nach Seaham einzuladen, und deutete in ihren Briefen an, sie bedauere ihre Ablehnung seines Heiratsantrags. Er nahm an, daß sie einen zweiten Antrag nicht unwillig aufnehmen würde. Aber er war nicht sicher, ob er sich wirklich von Annabella Milbanke angezogen fühlte. Was ihm an ihr gefiel, war ihre ruhige Art, die sie so wohltuend von anderen Frauen unterschied, die Tatsache, daß sie ihn niemals mit aufdringlichen Bitten oder Fragen verfolgte, und die Aura von Würde, mit der sie sich umgab.
    Nur schien sie eben sehr selbstgefällig zu sein und davon überzeugt, sie müßte alle anderen Menschen dazu bringen, ihre Meinungen zu teilen. Er hatte damals in den Briefwechsel mit ihr eingewilligt, um ihr zu beweisen, daß ihre Abfuhr ihn nicht im mindesten kränkte, und die Korrespondenz halbherzig bis jetzt fortgeführt. Byron war Annabella Milbanke zwar nur einder zweimal persönlich begegnet (sogar sein Heiratsantrag wurde seinerzeit in schriftlicher Form über Lady Melbourne vermittelt), glaubte aber, sie mittlerweile durch ihre Briefe etwas besser zu kennen. Erleichtert, mit seinen Heiratsvorsätzen zu konkreten Vorstellungen gekommen zu sein, brach Byron mit Augusta und ihrer Familie nach Hastings auf.
     
    Hastings, historischer Schauplatz der entscheidenden Schlacht zwischen Normannen und Angelsachsen, hatte sich inzwischen zu einem bezaubernden Seebad entwickelt, das von der tonangebenden Gesellschaft noch nicht wirklich entdeckt war. Im Augenblick befand sich alles, was Rang und Namen besaß, in London. Das Haus, das Hodgson für sie gemietet hatte, lag ein wenig abseits von der eigentlichen Stadt, fast direkt am Strand.
    Es war ein heller, freundlicher Bau, nicht sehr groß, aber mit genug Räumen, um sie alle unabhängig voneinander aufzunehmen.
    Die Nanny bekam ein eigenes Zimmer neben Henry und dem Baby. Georgiana und die kleine Augusta wurden zum erstenmal nicht in der unmittelbaren Umgebung ihres Kindermädchens untergebracht, worauf die Ältere sehr stolz war. Byron hatte nur Fletcher mitgenommen. Dazu kam eine Haushälterin, von Hodgson eigens zu diesem Zweck engagiert, eine Mrs. Clerk, die zwar äußerlich einem Drachen glich (»das war Absicht - er will mich unbedingt an das Fegefeuer erinnern!«), ansonsten jedoch eine gutmütige, zahnlose Fee am Herd, die nur gelegentlich mürrisch auf die Extravaganzen ihrer Gäste reagierte.
    »Wissen Sie, Mrs. Clerk, daß wir Ihre Gesellschaft der sämtlicher Berühmtheiten Europas vorgezogen haben?« bemerkte Byron. »Der Prinzregent bewirtet im Moment alle Fossilien des Kontinents in London - der Sommer der Souveräne, und der Teufel soll mich holen; wenn ich da länger zugesehen hätte.«
    Für die Kinder war der Aufenthalt paradiesisch. Hastings war ein Abenteuer. Die kleine Augusta entwickelte ein

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