WAKE - Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast (German Edition)
Sie steht unter einer Markise, nicht sicher, auf wen sie achten soll. Noch nicht. Sie hat nicht den Drang, einem der Passanten zu folgen. Schließlich krampft sich ihr Magen zusammen. Seufzend verdreht sie die Augen und schaut auf.
Hier kommt er , denkt sie.
Durch die Markise.
Es ist Mr Abernethy, der Direktor ihrer Highschool.
23:02 Uhr
Ihre Sicht wird wieder klarer. Die Frau im Laborkittel ist eingetreten und sieht sie an.
Janie starrt zurück, um sie abzuschrecken. Sie sieht sich im Raum unter den anderen um, die darauf warten, dass ihre Namen aufgerufen werden. Sie sehen zu Boden, als ihr Blick an ihnen vorbeigleitet. Sie weiß, was sie denken. Sie wollen auf keinen Fall mit einem Freak wie mir in einem Zimmer schlafen.
Janie beißt die Zähne zusammen.
Sie ist es leid zu weinen.
Weigert sich, noch mehr Szenen zu machen.
Als sie wieder Gefühl in Fingern und Füßen hat, steht sie auf, nimmt Mantel und Tasche und stolpert zur Tür.
Mit heiserer Stimme erklärt sie der Empfangsdame: »Sorry, aber ich kann das hier nicht.«
Auf dem Parkplatz saugt sie tief die frische, kühle Luft in ihre Lungen.
Die Frau im Laborkittel läuft ihr hinterher. »Miss!«
Janie läuft weiter, wirft ihre Tasche ins Auto. Über die Schulter ruft sie zurück: »Ich sagte, ich mache das nicht!«
Sie setzt sich hinters Lenkrad, lässt die Frau im Laborkittel stehen, als sie wegfährt. »Es muss einen anderen Weg geben, Ethel«, sagt sie. »Du verstehst mich, nicht wahr, mein Liebling?«
Ethel schnurrt verständnisvoll.
23:23 Uhr
Nach dem Vorfall im Wartezimmer des Schlaflabors fährt Janie nach Hause. Fragt sich, ob sie es nicht doch hätte versuchen sollen. Aber auf keinen Fall will sie wissen, was ihr Schuldirektor, Mr Abernethy, träumt.
Iih.
Igittigittigitt.
So kann ich es nicht machen , entscheidet sie. Aber wie sonst? Denn es ist höchste Zeit.
Zeit, mit dem Weinen aufzuhören, Zeit, sich zusammenzureißen und etwas zu unternehmen. Zeit, die Mitleidstour aufzugeben.
Bevor sie völlig verrückt wird.
Denn auf keinen Fall wird sie es durch das College schaffen, wenn sie nicht endlich ein bisschen Mumm kriegt und diesen abgefahrenen Zug wendet.
Sie geht ins Haus und sucht in den Papieren auf dem Nachttisch. Sie findet ihn – Miss Stubins Zettel. Liest ihn erneut.
Liebe Janie,
vielen Dank für meine Träume.
Von einem Fänger zum anderen.
Martha Stubin.
P.S. Du hast mehr Kraft, als du denkst.
23:36 Uhr
Was soll das bedeuten?
23:39 Uhr
Sie weiß es immer noch nicht.
23:58 Uhr
Nichts.
26. November 2005, 09:59 Uhr
Janie wartet an der Tür der öffentlichen Bibliothek. Als geöffnet wird, schlendert sie durch die Sachbuchabteilung. Selbsthilfe. Träume.
Sie zieht alle sechs Bücher aus dem Regal, setzt sich an einen abseits gelegenen Tisch und liest.
Als ein paar verschlafene Schüler sich an einem Tisch in der Nähe niederlassen, zieht sie sich in eine andere Abteilung der Bibliothek zurück.
Wartet geduldig darauf, dass der Computer in der Ecke angeschaltet wird, verbringt eine Stunde dort, kann nicht fassen, was sie mithilfe von Google findet.
Natürlich gibt es keine Informationen über Leute wie sie. Aber es ist immerhin ein Anfang.
17:01 Uhr
Mit vier der sechs Bücher fährt Janie nach Hause. Sie ist fasziniert. Mit einem Buch in der Hand macht sie ihr Abendessen. Sie liest bis Mitternacht, und dann holt sie tief Luft und redet mit sich selbst, während sie sich bettfertig macht.
»Ich habe ein Problem«, sagt sie leise und versucht, sich nicht wie ein Trottel vorzukommen. »Ich habe ein Problem, das ich lösen muss. Ich hätte gerne einen Traum, der mir sagt, wie ich dieses Problem lösen soll.«
Sie konzentriert sich. Steigt ins Bett, schließt die Augen und fährt mit ruhiger Stimme fort: »Ich hätte gerne einen Traum, der mir zeigt, wie ich die Träume anderer Leute abwehren kann. Ich möchte …« Sie gerät ins Stocken. »Ich meine, ich möchte den Menschen gerne helfen, aber ich möchte auch … ein normales Leben führen. Damit ihre Träume nicht immer mein Leben durcheinanderbringen.«
Janie atmet tief und gleichmäßig. Sie hört auf zu reden und konzentriert sich stattdessen auf ihr Problem. Bis es ihr wieder einfällt. »Und ich möchte mich an den Traum erinnern können, wenn ich wieder aufwache«, fügt sie laut hinzu.
Immer und immer wieder spult sie diese Worte in ihrem Kopf ab.
Schnell blickt sie auf die Uhr und schilt sich selbst dafür,
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