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Waldstadt

Waldstadt

Titel: Waldstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Leix
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er es dennoch bis zum Abitur schaffte und sogar studieren konnte, ließ ihn eine Zeitlang die schmerzlichen Erfahrungen verdrängen, doch jetzt zerrte ihn die Realität der Schule erneut nach ganz tief unten.
    Als er nach einer Woche Krankschreibung wieder zum Unterricht kam, war alles noch viel schlimmer. Der Druck auf ihn wurde ständig stärker und ohne es richtig wahrhaben zu wollen, wusste er, dass es nur ein einziges Ventil gab, durch das er ihn wieder loswerden konnte. Er sehnte immer mehr nach dem wohlig warmen Kribbeln, nach dem Gefühl von Freiheit, über allem zu schweben, so hoch, dass ihn niemand mehr erreichen konnte. Er musste es bald wieder spüren, von Tag zu Tag wurde er sich sicherer.
    Gleichzeitig aber zwang er sich zur Vorsicht. Solche dilettantischen Fehler durften ihm keinesfalls mehr passieren. Vor allem musste er seine Gefühle in den Griff bekommen und sich vor allen Provokationen in Acht nehmen. Sorgfältige Planung war zukünftig das Allerwichtigste.
     
    Einen Plan, wie er den angeordneten Erholungstag aller SoKo-Mitarbeiter verbringen wollte, hatte Kommissar Lindt noch nicht. Nach der Konferenz rief er erst mal bei Carla im Büro an. »Kannst du auch frei machen?«
    »Das kommt schon sehr überraschend«, meinte sie, »aber ich werde mal sehen, ob mich morgen jemand vertreten kann.«
    Für Paul Wellmann kam der freie Tag wie gerufen. Er wollte sich seinen Bienenvölkern widmen, Honig schleudern und ein paar Reparaturen am Bienenstand durchführen.
    Jan Sternberg plante, nachmittags mit seinen beiden Söhnen angeln zu gehen, und auch Ludwig Willms überlegte mit einer Landkarte in der Hand, wie er den unverhofften Pausentag nutzen könnte.
    »Ich bin mir sicher, du wirst wieder so eine sportliche Wahnsinnstat begehen«, frotzelte Oskar Lindt den Extremsportler. »Aber falls du aufs Fahrrad steigst, pass gut auf!«
    »Hier schau mal, Oskar«, lächelte der hagere KTU-Chef. Er nahm einen Leuchtstift und markierte damit einen weiten Rundkurs durch die Hügel des Kraichgaus und des Strombergs. »Ideale Trainingsstrecke, so 180 Kilometer werden schon zusammenkommen, aber nur auf öffentlichen Straßen. Um schmale Waldwege mache ich einen großen Bogen. Ich hab schließlich keine Lust, selbst in der Schlinge zu zappeln.«
     
    Carla bekam tatsächlich frei und beim gemütlichen Frühstück überlegte sie gemeinsam mit Oskar, wie sie den Tag verbringen könnten.
    Ein langer Blick aus dem Fenster und ein noch längerer auf die Rundungen ihres Mannes, »Tolles Wetter, wir könnten uns doch mal etwas bewegen. Eine Wanderung zum Beispiel, oder was hältst du von einer Radtour?«
    Oskar hatte eigentlich mehr an ein schattiges Plätzchen unter einem großen Baum gedacht, mit Picknickkorb und einem der vielen Bücher, die seit Langem ungelesen im Regal standen.
    »Ludwig sitzt wahrscheinlich schon auf seinem schmalen Rennrad. Der wird heute 180 Kilometer runterreißen. Ich wollte mich eigentlich nicht so sehr anstrengen«, versuchte er die Aktivpläne seiner Frau abzumildern. »Außerdem fährst du doch jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit. Reicht dir das nicht an Bewegung?«
    »Immer die gleiche Strecke durch den Hardtwald ist doch langweilig. Ich dachte mehr an die Pfalz oder den Schwarzwald.«
    »In die Berge? Mit dem Rad?«, Lindt war entsetzt. »Weißt du, wie viele Freizeitsportler der Sekundenherztod schon vom Sattel geworfen hat?«
    »Ich wollte dich ja auch nicht überanstrengen.« Carla griff nach einer Wanderkarte und erklärte ihren Plan.
     
    Eine knappe Stunde später luden die beiden am Karlsruher Marktplatz ihre Räder in die gelb-rote Stadtbahn ›S 41‹. ›Freudenstadt Hauptbahnhof‹ stand auf dem Kursschild.
    Oskar hatte zwei Spanngummis eingesteckt, zurrte die Drahtesel an einer Haltestange fest und setzte sich daneben. Carla ließ er den Fensterplatz.
    »Eigentlich«, meinte er, »hatte ich in der letzten Zeit ja genügend Schwarzwald. Wenn ich nur an das Gewitter auf dem Ruhestein denke und dann noch die Leiche – fürchterlicher Anblick. Aber wenn du meinst, dass es wirklich nur bergab geht …«
    »Die Tour de Murg wird uns bestimmt gefallen. Wir können jederzeit wieder in die Bahn steigen, ganz sicher«, besänftigte sie seine Bedenken.
    »Und ein paar nette Gasthöfe gibt es da oben auch. Die kenne ich – bestimmt nicht weit vom Radweg.«
     
    »Wir begrüßen Sie auf der Murgtalbahn«, kam kurz nach Rastatt aus den Lautsprechern der Stadtbahn, die jetzt zur Gebirgsbahn

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