Was die Nacht verheißt
unterste Schublade auf, hob einen schweren Beutel mit Münzen heraus und grinste.
»Hier ist es, mein Freund, genau, wie du gesagt hast.«
»Ich hab’s ja gewusst. Nicht schlecht für ein paar Minuten Arbeit.« Er fing wieder an zu lachen, und da riss Brandy sich los und stürzte zur Tür. Sharpe hatte sie sofort wieder eingeholt, stieß sie zu Boden und zog ihr die Arme schmerzhaft nach hinten.
»Du hattest schon immer Mumm, Mädel.«
Brandy wehrte sich gegen das Seil, das er aus der Tasche zog und um ihre Handgelenke band. Dann fesselte er noch ihre Knöchel und benutzte das Tuch, das um seinen massigen Hals geschlungen war, um sie zu knebeln. Dann riss er sie wieder hoch, bückte sich und warf sie sich über eine seiner breiten Schultern.
Vor lauter Angst und mit dem Knebel zwischen ihren Zähnen wurde ihr Mund ganz trocken. Ihre Lungen zogen sich zusammen, und einen Augenblick lang war es ihr fast unmöglich zu atmen. Als sie daran dachte, was Jilly Sharpe mit ihr vorhatte, hämmerte ihr Herz in wilder Panik gegen ihre Rippen.
Oh, Herr im Himmel - sie hatte ja ein Abenteuer haben wollen, aber sie hätte sich nie vorgestellt, dass es so enden würde! Sie schlug gegen seine massige Schulter, und das Blut strömte ihr in den Kopf. Brandy schloss die Augen und sandte ein inniges Gebet gen Himmel, eines für sich und das andere für die Männer der Mannschaft, mit denen Sharpe irgendetwas gemacht hatte.
Als sie das Deck erreichten, gesellten sich noch drei raue Gesellen zu ihnen - und von der Mannschaft der Seehabicht war absolut nichts zu sehen.
»Wie ich sehe, hast du das Weib«, sagte einer von ihnen. »Habt ihr auch das Geld?«
»Ja, haben wir«, sagte Sharpe. Eine seiner großen Hände drückten ihr Hinterteil, und sie fluchte gedämpft einen Fluch, den sie aus dem Weißen Pferd kannte - aber natürlich hörte er sie nicht. »Wir werden uns heute Abend gut amüsieren, Jungs, das verspreche ich Euch.«
Brandys Magen zog sich vor Angst zusammen. Der kalte Schweiß brach ihr auf der Stirn aus, und bei jedem seiner Schritte wurde sie ungemütlich geschüttelt.
Sie brauchten nicht lange, um die Steuerbordseite des Schiffes zu erreichen. Sie sah im Wasser unten das Ruderboot, mit dem sie hergekommen waren.
» Luis - du und Janos geht zuerst nach unten. Dann gebe ich euch das Mädchen runter.«
Einer der großen Matrosen nickte. Ihr fiel auf, dass er nur mit einem Auge sehen konnte. Er griff nach dem Seil, das hinunter zum Boot führte, und wollte gerade anfangen hinunterzuklettern, da ertönte eine laute Stimme, und er erstarrte, den einen Fuß in der Luft über der Reling.
»Bleibt stehen, wo Ihr seid!« Marcus stand vor seinen Männern, seine langen Beine gespreizt, und der Wind zerzauste sein lockiges schwarzes Haar. Das Geräusch vom Entsichern der Pistolen knackte laut in der Nachtluft. »Keiner bewegt sich, wenn er Wert auf sein Leben legt.«
Brandy schloss die Augen. Sie dachte, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie so froh gewesen war, jemanden zu sehen. Jilly Sharpe rückte sie auf seiner Schulter zurecht, setzte sie aber nicht ab.
»Wenn Ihr das Mädchen wollt, solltet Ihr besser die Pistolen weglegen - nicht wahr, Jungs?«
Die anderen vier Männer standen da wie erstarrt, die Hände in der Nähe ihrer Waffen, die in ihrem Hosenbund steckten, aber keiner von ihnen griff danach.
»Setzt das Mädchen ab, Sharpe«, befahl Marcus. »Sonst seid Ihr ein toter Mann.«
»So, das habt Ihr Euch ja ganz klug ausgedacht, Käpt’n, wie? Ihr kommt einfach herbeimarschiert und gebt Befehle, als wenn ich noch einer Eurer Lakaien wäre und brav tun werde, was Ihr sagt. Denkt Ihr wirklich, ich werde sie nach all dem, was Ihr mit mir gemacht habt, einfach abgeben?«
Brandy schaute um Sharpes Schulter herum und sah Marcus’ Gesicht und die mörderische Entschlossenheit in seinen Zügen. »Ich sagte, setzt sie ab. Und das werde ich nicht noch einmal sagen.«
Brandy hielt den Atem an. Sie konnte die Anspannung in Jilly Sharpes massigem Körper spüren. Ganz langsam, Zentimeter um Zentimeter, bewegte er sich rückwärts zur Reling. Marcus streckte die Waffe vor, und sechs andere Männer aus der Mannschaft der Seehabicht richteten Pistolen auf die anderen Männer in Sharpes Begleitung.
Doch anstatt sich zu fürchten, grinste Jilly Sharpe nur. »Jetzt sag ich Euch, wie es ist, Käpt’n. Wenn Ihr auf mich schießt, geht das Mädchen über Bord. Gefesselt, wie sie ist, geht sie unter wie ein Stein. Sie wird
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