Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
Armut nicht zu Unterhaltungszwecken erfunden haben.
Sich an extreme Gewalt im Gefecht zu gewöhnen, bedeutet nur, unser Alltagstraining um eine Stufe zu verschärfen. Das System ist längst dafür eingerichtet, wir sind lange vorher schon entsprechend verdrahtet worden. Jetzt muss nur noch die Spannung erhöht werden. Wobei die Voltzahl auf allen Feldern der Unterhaltung seit Langem ansteigt. Vom Schock über die ersten Rockbands, die ihre Gitarren auf der Bühne zertrümmerten, bis zur täglichen sadomasochistischen Kost, die einem auf MTV und ähnlichen Kanälen angeboten wird. Vom Erstechen eines Menschen unter der Dusche in
Psycho
( 1960 ), von dem wir nur einen Schatten sahen, bis zu den wilden Metzeleien, die heute bereits Minderjährigen im Kino zugemutet werden. Unsere psychische Verdrahtung wird mit immer höheren Spannungen belastet. Das Ergebnis des ersten Irakkrieges lautete in etwa auf 30 000 zu 200 gefallenen Soldaten, und natürlich gefiel uns das. Und natürlich machten es die Gründe für den Krieg – eine Invasion und der brutale Druck auf einen Alliierten – leicht, selbstgerecht zu sein. Selbstgerechtigkeit ist eine der besten Voraussetzungen, um in einen Gewaltrausch zu verfallen, sehen Sie sich nur die Terroristen an, die einen »heiligen Krieg« führen und »gerechte Rache« üben. Der letzte Irakkrieg und der in Afghanistan haben uns jedoch mit einer weit widersprüchlicheren Situation konfrontiert, und in unserem Land wächst die Uneinigkeit über die Einsätze, je länger sich die Kriege hinziehen. [24]
Selbst die Begründung für die Abhärtung gegenüber Gewalt ist im Krieg wie im Alltag die gleiche. Es geht um das Überleben des Egos. Fälschlicherweise nehmen wir an, das körperliche Überleben habe eine höhere Priorität als das Überleben des Egos. Das Ego zerstört den Körper mit Freuden, wenn es den rechten Nutzen darin sieht. Denken wir nur an die übergewichtigen Manager, die geradewegs auf den Herzinfarkt zusteuern, weil sie ihr Bild in
Fortune
sehen wollen, oder an die anorektischen Models, die sich nach und nach zu Tode hungern, weil sie ihr Bild in der
Vogue
sehen wollen. In beiden Fällen geht es um den Schutz und die Pflege des Egos, nicht des Körpers.
Es ist wichtig zu sehen, dass nicht der Körper, sondern das Ego sowohl im Krieg als auch im Alltagsleben weit öfter bedroht wird. Für alle, die das Sagen haben und nicht an den direkten Kampfhandlungen teilnehmen, ist das Überleben des Egos der Schlüsselfaktor. Wenn Piloten zu weinen beginnen, wann immer sie ein Bombardement fliegen müssen, wird ihre Leistung wahrscheinlich abfallen, was heißt, dass sie kaum zum Geschwaderführer aufsteigen können. Wenn das Ego also Geschwaderführer werden will, wird es alles Mitleid unterdrücken. Genauso geht es einem Lieutenant, der Kompaniechef werden will, dem Colonel, der zum General aufzusteigen versucht, dem Angestellten im Weißen Haus, der ins Kabinett möchte, und dem Politiker, der sich auch bei der nächsten Wahl wieder durchsetzen will.
Da die Korridore der Macht voller Menschen sind, die nach Machtpositionen streben, um ihre bedürftigen Egos zu befriedigen, ist es kaum überraschend, dass dort mitfühlende Reaktionen als Kurzschlusshandlungen gelten. Der Krieg hebt überdeutlich die immense Kraft unseres Bedürfnisses hervor, von unseresgleichen akzeptiert zu werden, was uns dazu bringt, uns den Verhaltensmaßregeln der Gesellschaft anzugleichen, statt mit Mitgefühl zu reagieren. Im sogenannten normalen Leben tun wir diese Dinge jeden Tag, aber wir sehen die Ergebnisse nicht so klar und haben deswegen kein schlechtes Gewissen. Niemand packt uns beim Kragen und stößt uns mit der Nase in die Schweinereien, die wir anrichten, während wir an unserem Image arbeiten.
Als ich zu meiner Kompanie kam, operierte sie im Gebirge an der Grenze zwischen Vietnam und Laos. Unsere Aufgabe bestand darin, den Ho-Chi-Minh-Pfad zu unterbrechen sowie Versorgungsbasen und Lazarette zu finden und zu zerstören. [25] Die Kompanie hatte auf einer Anhöhe Stellung bezogen, und ich wurde aufgefordert, mit einem meiner Trupps eine Sicherheitspatrouille zu gehen, um die Position der Kompanie zu schützen. Es war meine erste Gefechtspatrouille, und ich war entschlossen, einen guten Eindruck zu machen. Allerdings war ich fürchterlich nervös, genau wie meine Leute, nehme ich an.
Wir waren bereits ein paar Stunden unterwegs und bewegten uns immer weiter von der Kompanie weg durch den
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