Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
Vom Netzwerk:
Erzähl es ihr, Kathryn, erzähl es ihr jetzt, sie mag dich und sie kann dir helfen. Erzähl ihr, was er dir antut, erzähl ihr, was er dir immer angetan hat, erzähl ihr, dass du in der Falle sitzt, sag ihr, dass du bleiben musst, weil du sonst deine Kinder verlierst, und dass der Gedanke daran noch unerträglicher ist als das Leben, das zu führen du gezwungen bist.
    Stattdessen machte sie den Mund auf, und ein Ton kam heraus, der die Grundlagen ihrer Beziehung für sehr lange Zeit verändern sollte. Es war das Geräusch einer zentnerschweren Tür, die ins Schloss fällt, das Geräusch eines sich schließenden Absperrgitters, das Geräusch einer heruntergelassenen Schranke. Es waren folgende zehn Wörter: »Du hast ganz recht, das geht dich gar nichts an.«
    Sie dachte häufig an dieses Gespräch und die verpasste Gelegenheit zurück. Was spielte das heute für eine Rolle? Natasha unterrichtete inzwischen am anderen Ende des Landes. Kathryn bezweifelte, dass sie sie je wiedersehen würde, was wirklich schade war. Sie waren durch eine wunderbare Freundschaft miteinander verbunden gewesen.
    Kathryn grübelte über Dominics und Lydias Verhalten nach. Sie hatte deren ganzes Leben lang versucht, aus ihnen anständige Menschen zu machen, hatte ihnen gezeigt, wie wichtig es war, respektvoll mit sich und anderen umzugehen. Das klang sogar in ihren eigenen Ohren etwas ironisch: Wie konnte sie ihnen beibringen oder vorleben, wie man Respekt vor sich selbst hat, wenn sie keinen hatte? Sie war eine Heuchlerin. Ihr ganzes Leben war eine einzige grässliche Täuschung.
    Sie wusste, dass ihr Kampf darum, aus ihnen ausgeglichene und liebenswerte Menschen zu machen, zu einem gewissen Grad aussichtslos war. Wie konnten sie mit einem Gefühl der Normalität aufwachsen, wenn das, was sich jede Nacht unter ihrem Dach abspielte, so weit von der Normalität entfernt war. Egal, wie sehr sie sich bemühte, sich selbst vom Gegenteil zu überzeugen?
    Sie waren in einen Kampf verwickelt, von dem sie nicht einmal wussten, dass sie darin mitkämpften. Sie spielten ein Spiel, bei dem die Hälfte der Regeln und der Mitspieler im Verborgenen blieben. Das war für alle Beteiligten unfair.
    Kathryn stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als sie den schmalen Weg entlangging, der zwischen dem Spielfeld und ihrem Privatgarten hindurchführte. Hier konnte sie sich verbergen, bis das Match beendet war.
    Sie erspähte den Kopf von Mark, der auf der anderen Seite der Hecke mit Gartenarbeiten beschäftigt war. Er trug seinen Gärtnerhut. Mark bestand darauf, dass es ein Panamahut war, aber Kathryns Meinung nach ähnelte dieser mehr einem Texashut, und sie kicherte in sich hinein.
    Kathryn hielt inne und blickte über das Tor in den Garten. Zuerst konnte sie sich den seltsamen Dunst nicht erklären, der über den Rosenblüten hing, die flirrende Verzerrung von Rasen und Blumen. Die Backsteine des Hauses flackerten, und die Luft schien zu flimmern. Dann wurde ihr klar, dass sie das Haus durch eine Hitzewand betrachtete. Irgendetwas brannte.
    Sie schnüffelte und nahm den unverwechselbaren Brandgeruch wahr. Der beißende Gestank versetzte sie in ihre Kindheit zurück, als ihr Dad in seinen schwarzen Gummistiefeln mit einer Grabegabel in der Hand Laub und Verpackungsmaterial in das Feuer schob. Sein Freudenfeuer war eine feste Einrichtung gewesen: In Schubkarrenreichweite zum Komposthaufen hatte er aus Hühnerdraht und einem alten Metallgitter eine behelfsmäßige Feuerstelle zusammengebaut. Das Ganze ruhte auf jeweils zwei Backsteinen an jeder Ecke. Jedes Mal hob er hervor, wie anstrengend diese Arbeit sei, aber sie und Francesca wussten, dass es zu seinen größten Freuden zählte. In Wahrheit hatte es den Anschein, als liebten die meisten Männer die archaische Aufgabe, ein Feuer zu entzünden und zu beobachten, wie die Hitze der Flammen Materie verzehrte.
    Kathryn trat durch das Gartentor. Sie beobachtete Mark, wie er Papier und Karton zusammenpackte, den Stapel auf das Feuer warf, dann zurücktrat und, die Hände in die Hüften gestemmt, sein Werk bewunderte. Im Gegensatz zu ihrem Vater verbrannte Mark Dinge notwendigerweise, um den Abfall zu beseitigen. Niemals würde er ein paar in Alufolie eingewickelte Kartoffeln in die Glut stecken, um sie dann in der Abenddämmerung herauszuholen und mit Butter zu essen. Mit Freude dachte sie daran zurück, wie sie und Francesca in ihren Gummistiefeln mit den aufgemalten Froschaugen und in handgestrickten

Weitere Kostenlose Bücher