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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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heimischen Supermarkt herumirrt.
    »Janeece.«
    »Janeece, schön dich kennenzulernen. Ich bin Kate.«
    Sie streckte die Hand aus.
    Zögerlich öffnete das Mädchen die Faust und streckte ihr die Hand entgegen. Kate schüttelte sie, und Janeece, die an Körperkontakt nicht gewöhnt war, zog sie schnell wieder zurück.
    »Janeece, erstens denke ich, dass dieser Platz für jeden da ist, der ihn haben will, und zweitens ist es nicht gerade höflich, jemanden mit ›Schlampe‹ zu begrüßen. Außerdem würde man eher sagen: ›Du bist oder du sitzt auf meinem Platz.‹ Ist dir der Unterschied klar?«
    Völlig verdutzt musterte Janeece die Frau mittleren Alters, die aussah wie eine Lehrerin und wie Mary Poppins daherredete. Sie nickte.
    Kate fuhr fort. »Ich bin gerade im Begriff Die Liebe der Fancy Day von Thomas Hardy anzufangen. Hast du das Buch gelesen?«
    Janeece schüttelte den Kopf.
    »Nö, ich hab’s nicht so mit dem Lesen.«
    »Nun, das ist sehr schade, Janeece. Dir entgehen dadurch Millionen verschiedener Welten, in die du eintauchen könntest. Das kann eine sehr gute Sache sein, wenn die eigene Welt aus diesen düsteren Mauern hier besteht. Was ist denn der Grund dafür, wieso du es nicht so mit dem Lesen hast?«
    Das Mädchen starrte sie an, antwortete jedoch nicht, sondern biss sich wütend, verlegen und beschämt auf die Unterlippe. Wie die Antwort höchstwahrscheinlich lautete, wusste Kate mit einer Sicherheit, als hätte Janeece die Worte laut ausgesprochen: »Weil ich es nicht sonderlich gut kann. Ich lese nicht, weil ich nicht gut lesen kann, ich kenne nicht alle Wörter.«
    »Hat dir deine Mutter oder deine Lehrerin nie ein Buch vorgelesen? Meine Tochter hat das immer geliebt.«
    Janeece schüttelte den Kopf. Zugleich wollte sie damit das Bild ihrer Mutter und der schlagenden flachen Hand mit den langen Fingernägeln, die kratzten, aus ihrem Kopf verbannen und die Stimme vertreiben, die sie in Maschinengewehrstakkato anbrüllte: »Du bist ein fettes, nutzloses Stück Scheiße. Du bist nichts und wirst nie etwas sein, genau wie dein beschissener Vater.«
    »Würde es dir gefallen, wenn ich dir vorlese?«
    Kate zeigte ihr das Titelbild.
    »Was?«
    Janeece zog die Schultern hoch. War diese Frau verrückt? Sah sie vielleicht wie ein Baby aus, das eine Geschichte hören will?
    »Ich habe gefragt, ob es dir gefallen würde, wenn ich dir vorlese? Es ist eine wunderbare Geschichte, und ich denke, du wirst sie mögen. Aber Janeece, sei gewarnt, sobald du dich in Hardy verliebst, kann das wie eine Sucht werden. Dann würden wir natürlich mit Die Herrin von Thornhill und Tess weitermachen müssen.«
    Wortlos schlurfte Janeece um den Tisch herum und zog Kate gegenüber einen Stuhl hervor.
    »Wie viel liest du davon?«
    Vielleicht würde sie ja zuhören, nur ein bisschen.
    »Ach, Janeece, ich werde alles lesen, von Anfang bis Ende, Wort für Wort, das ganze Buch. Nicht achtzig Wörter mal hier und mal da, sondern alles, und dann fange ich, wenn ich Lust habe, vielleicht wieder von vorne an und lese alles noch einmal.«
    »Aber dann weißt du doch schon, was passiert!«
    Janeece schüttelte den Kopf, als wäre Kate diejenige, die das Konzept des Bücherlesens missverstanden hatte.
    »Ich habe das schon oft gelesen. Aber das ist das Schöne an Büchern. Sie erzählen nie zweimal genau dieselbe Geschichte. Jedes Mal stelle ich mir etwas anderes vor, lerne ich etwas dazu, und das Ende überrascht mich immer ein wenig. Es ist, als steuere man auf ein bestimmtes Ziel zu, nehme aber jedes Mal einen anderen Weg dorthin. Die Art und Weise, wie man jedes Mal dabei neue Dinge entdeckt und wahrnimmt, ist ein wenig rätselhaft. Und wenn man ankommt, versteht man nicht, wie genau man dahin gelangt ist. Also, Janeece, möchtest du diese Reise mit mir antreten?«
    Das Mädchen überlegte.
    »In Ordnung. Aber die meisten Frauen wollen nichts mit mir zu tun haben, weil ich gefährlich bin.«
    »Nun, ich bin nicht wie die meisten anderen. Ich glaube, wir können alle ein bisschen gefährlich sein, wenn wir provoziert werden. Und, sitzt du bequem, wie es so schön heißt?«
    »Wieso bist du drin?«
    »Janeece, sollen wir mit diesem Buch anfangen oder nicht?«
    »Ja, aber ich will wissen, wieso du drin bist. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun hab.«
    »Ich weiß zwar nicht, warum das wichtig ist, aber wenn du darauf bestehst. Ich bin hier, weil ich jemanden umgebracht habe. Ich habe meinen Mann mit einem scharfen Messer erstochen

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