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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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all diese verschiedenen Dinge kennen, die Kopf bedeutet? Oder dass wir seine eigentliche Bedeutung kennen, aber auch zurechtkommen, wenn etwas anderes gemeint ist?
    Ein Vorschlag zur Lösung des Durcheinanders von Wörtern und Bedeutungen ist, eine Geschichte darüber zu erzählen, wie es kam, dass ein Wort so viele verschiedene Dinge bedeuten kann. Die Geschichte des Worts »Kopf« zum Beispiel wird in vielen Wörterbüchern wie folgt erzählt: Einst bezog »Kopf« sich auf den Teil der Anatomie, der durch den Hals mit dem Rumpf verbunden ist. Das war die zentrale, ursprüngliche Grundbedeutung des Worts, die sich in der Folge erweiterte und noch weitere Dinge aufnahm, die auch den oberen Teil von etwas bezeichnen – der Kopf einer Schraube oder eines Streichholzes wären solche Erweiterungen. Da vierbeinige Tiere, anders als die Zweibeiner, ihren anatomischen Kopf aber nicht oben, sondern vorn haben, wurde »Kopf« in noch eine Richtung erweitert und deckte nun Dinge ab, die nach vorn ragen oder sich vorn befinden.
    Einige dieser Geschichten lassen sich mit historischen Belegen aus Schriften untermauern, die frühere Stadien der jeweiligen Sprache abbilden. Zu untersuchen, wie sich die Bedeutung von Wörtern tatsächlich oder vermutlich gewandelt oder erweitert hat, ist das Forschungsgebiet der historischen Semantik. Doch so viele Details eine Geschichte auch enthalten mag, so scharfsinnig der Erzähler und so zahlreich die Belege auch sein mögen: Die historische Semantik kann nicht erklären, woher ein gewöhnlicher Verwender der Sprache Deutsch zum Beispiel weiß, dass (a) »Kopf« ein Wort ist und was (b) »Kopf« alles bedeuten kann.
    Daraus folgt, dass sich »Kopf« nicht als Wort in eine andere Sprache übersetzen lässt. Die Bedeutung, die es in einem bestimmten Gebrauch hat, lässt sich hingegen leicht in einer anderen Sprache wiedergeben. Der rote Kopf, den jemand bekommt, wird im Englischen zu red in the face , und den Hundertmetersprint, der bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen war, hätten englische Läufer neck and neck und französische au coude à coude absolviert. Für den Nagel, den jemand auf den Kopf getroffen hat, wäre faire mouche der französische Ausdruck, der nicht danebenginge. Übersetzen ist wirklich eine sehr nützliche Methode zur Lösung des Rätsels der Wörter und Bedeutungen. Das soll nicht heißen, dass jeder Ihnen sagen kann, was ein Wort auf Französisch oder in einer beliebigen anderen Sprache heißt. Sagen aber kann man durch Übersetzen, was das Wort in dem Kontext bedeutet, in dem es steht. Das ist eine Tatsache von großer Wichtigkeit. Sie veranschaulicht eine wunderbare Fähigkeit menschlichen Denkens. Übersetzung ist Bedeutung.
    Dennoch haben Linguisten und Philosophen trickreiche Mittel und Wege gefunden, sich dem selbstgeschaffenen Dilemma zu entziehen, wie sich die Bedeutung von Wörtern durch Wörter erklären lässt. »Head« etwa wird als ein Wort aufgefasst, das eine Vielzahl von übertragenen oder metaphorischen Bedeutungen hat und als Beispiel für Polysemie dienen soll. Ein ebenso alltägliches Wort wie »light« wird als Homonymenpaar behandelt – als zwei verschiedene Wörter, die in Aussprache und Schrift dieselbe Form haben, von denen das eine, ein Adjektiv, das Gewicht von etwas (wie bei »a light suitcase [ein leichter Koffer]«) und das andere, ein Substantiv, den Grad der Helligkeit bezeichnet (wie bei »the light of day [das Tageslicht]«). Diese Unterscheidung von Polysemie und Homonymie ist sprachpraktisch betrachtet vollkommen arbiträr. 4 Ist die Schreibung verschieden, die Aussprache aber dieselbe – wie in Ferse, Verse und Färse – wechseln Linguisten die Terminologie und führen sie als Beispiele für Homophonie an. Und da Wörter die Tendenz haben, ihre Bedeutung allmählich zu wandeln, ließen sich gut und gern weitere Untergruppen bilden. Ein Teil kann für ein Ganzes stehen (Beispiel: eine fünfköpfige Familie) oder das Ganze für den Teil (Beispiel: Ein Matrose betritt eine Bar und es ertönt der Ruf: »Die Flotte ist eingelaufen!«). Manchmal gibt es – tatsächlich oder behauptet – eine visuelle Analogie zwischen der Hauptbedeutung und einer weiteren Bedeutung eines Worts, etwa wenn man mit dem Auto vorsichtig auf eine Parkfläche einfährt (im Englischen bildlich: mit der Nase voran: »to nose one’s car into a parking slot«), und das wird Metapher genannt; manchmal rührt die Bedeutungserweiterung angeblich von Nachbarschaft

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