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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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untersuchen wollen, was ein Wort ist, finden an englischen Präpositionalverben ein unendliches Betätigungsfeld. Sie kommen als Drei- oder als Vierteiler daher. Manchmal bleiben sie zusammen – »Did you remember to take out the bins? (Hast du daran gedacht, den Müll rauszubringen?)« – und manchmal nicht – »I promised to take my daughter out to see a film (Ich habe meiner Tochter versprochen, sie ins Kino auszuführen)«. Heißt das nun, »to take out« ist ein Wort – oder drei – oder zwei verschiedene Wörter – »to take out« und »to take … out« – (oder sechs), die alle gleich aussehen? Kompilatoren alphabetischer Wörterbücher greifen hier zu praktischen Lösungen, nicht aber zu denselben, und die Kernfrage – was für ein Wort ist das? – bleibt offen. Lehrer, die Englisch als Fremdsprache unterrichten, kennen die beste Antwort auf die Frage, aus wie vielen Wörtern ein Präpositionalverb besteht. Wenn Sie wissen wollen, wie man die Sprache richtig verwendet – nicht fragen.
    In Anbetracht der labyrinthischen Kompliziertheit wechselnder Terminologien und der widersprüchlichen Lösungen, die die Fachleute für das Rätsel parat haben, wie man nun die Worteinheiten in ganz gewöhnlichen englischen Wendungen feststellt, liegt es wohl auf der Hand, dass ein normaler Verwender einer Sprache wie Englisch nicht zu wissen braucht, was ein Wort – oder was für ein Wort das fragliche – ist, damit er etwas versteht. Etwas als Wort zu bezeichnen ist oft sinnvoll, nur sind die Grenzen des Begriffs eben fließend.
    Andere Sprachen verstehen sich auch darauf, das Wort-Sein von Wörtern zu untergraben. Das Deutsche fügt sie zusammen und bildet neue. Lastkraftwagenfahrer (truck driver) ist im normalen Sprachgebrauch selbstverständlich ein Einzelwort, könnte ebenso gut aber auch als zwei zusammengeschriebene Wörter ( Lastkraftwagen plus Fahrer , »truck« plus »driver«) oder als Dreiwortgruppe ( Last plus Kraftwagen plus Fahrer , »freight« plus »motor vehicle« plus »driver«) oder sogar als Vierergruppe ( Last plus Kraft plus Wagen plus Fahrer , »freight« plus »power« plus »vehicle« plus »driver«) angesehen werden. Das Ungarische verschmilzt ebenfalls, was wir für mehrere Einzelwörter halten, auf andere Weise zwar, aber nicht minder elegant. Für einen Ausdruck, bei dem ein Computer drei Wörter zählen würde, Annáékkal voltunk moziban etwa, müsste man auf Englisch oder Deutsch sehr viel mehr Wörter aufwenden: »Wir waren [ voltunk ] mit Anna und ihren Leuten (das heißt Freunden oder Familienangehörigen oder ihrer Clique) im Kino [ moziban ]. Das bescheidene Suffix -ék , mehr ist nicht nötig, um »Anna« in eine ganze Gruppe zu verwandeln, und der »angeklebte« oder agglutinierte Zusatz -kal besagt, dass man selbst mit von der Partie war. Bei der Hochzeit meiner Tochter 2003 in London konnte ich – ich hatte meine Hausaufgaben gemacht – zu Ehren ihrer ungarischen Großeltern sogar einen Toast ausbringen – édeslányaméknak , »auf den Ehemann meiner lieben Tochter, ihre Schwiegereltern und Freunde«: alles mit einem Wort gesagt.
    Das klassische Griechisch hat kein eigenes Wort für »Wort«; in Manuskripten und Zeugnissen aus griechischer Frühzeit schrieb man sogar ohne Leerstellen zwischen Wörtern. Das heißt freilich nicht automatisch, dass griechische Denker keinen Begriff von sprachlichen Einheiten gehabt hätten, die kleiner als Äußerungen sind. Es gibt Belege für die Existenz von Wortteilern in dem Griechisch, das in Linear B und auf Kyprisch geschrieben wurde, alten Schriften aus der Zeit noch vor dem griechischen Alphabet; und auf verschiedene andere Weisen bildet sich die Vorstellung von einem »Grundelement« sogar in einer Sprache heraus, die anscheinend nicht einmal ein »Wort« für die so bezeichnete Einheit hat. 7 Sogar Ungarn erkennen, dass manche »Wörter« grundlegender sind als andere, dass unterhalb der schier unendlichen Menge potenziell agglutinierbarer und zusammensetzbarer Formen Klumpen liegen – die Grundbausteine von Sinn. Gyerek ist ungarisch für »Kind«, und obwohl es in dieser Form fast nie in einem Ausdruck auftritt, ist es dennoch die »Wurzel« oder der »Stamm«, der dem englischen Stammwort »child« entspricht. Ohne einen praktikablen Begriff von den Sinneinheiten, aus denen eine Sprache besteht, ist es schwer vorstellbar, wie sich ein Wörterbuch aufbauen ließe. Und ohne Wörterbuch, wie könnte da jemand eine

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