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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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Secondhandladen gewesen war, in dem es so grauenhaft miefte.
    Es dauerte nicht lange, bis sie an ihrem Gartentor angekommen waren. Max hielt einen Moment inne, als wolle er ihr eine Gelegenheit geben, einen Rückzieher zu machen, falls sie es sich anders überlegt haben sollte. Doch Neve öffnete einfach das Tor und marschierte den schmalen Weg entlang zu dem Haus, das früher einmal ihrer Großmutter väterlicherseits gehört hatte. Nach ihrem Tod hatte Neves Vater, der Bauingenieur war, das Haus zu drei separaten Wohungen umgebaut und diese unter seinen Kindern aufgeteilt. Celia schäumte noch heute vor Wut, weil sie bei der Fertigstellung in New York gewesen war und deshalb die Wohnung im Erdgeschoss abbekommen hatte.
    Aber im Augenblick war Celia irgendwo in Soho und marinierte ihre Leber, und im Haus war es dunkel und still. Neve knipste das Licht trotzdem nicht an, weshalb Max, sobald er über die Schwelle trat, mit ihrem Fahrrad kollidierte, das drinnen an der Wand lehnte.
    Neve spürte, wie ihr Herz vor Schreck einen Salto vollführte und spähte ängstlich nach oben in der Erwartung, dass gleich das Licht angehen und eine schrille Stimme zu zetern anfangen würde. Aber nichts geschah, außer dass Max schwer atmend fluchte. Sie seufzte erleichtert auf.
    » Ähm, könntest du bitte die Schuhe ausziehen?«, flüsterte sie.
    » Warum denn das?«, fragte Max in normaler Lautstärke– laut genug, um einen Toten aufzuwecken.
    » Du musst leise reden«, zischte Nive. » Im ersten Stock wohnen mein Bruder und meine Schwägerin, und die ist… eine fiese, durchgeknallte Kuh … sehr lärmempfindlich. Bitte, Max.«
    Es war zu dunkel, um etwas sehen zu können, aber Neve konnte förmlich hören, wie Max entnervt die Augen verdrehte. » Also gut«, knurrte er halblaut und schlüpfte aus seinen Turnschuhen.
    Sie schlichen die Treppe hinauf. Neve hielt die Luft an, bis sie die erste Etage passiert hatten, dann atmete sie leise aus. An ihrer Wohnungstür angelangt steckte sie vorsichtig den Schlüssel ins Schloss.
    » Das erinnert mich an meine Teenagerzeit, als ich in diverse Mädchenzimmer geschleust wurde, während oben die Eltern schliefen«, brummte Max. Neve hielt sich den Zeigefinger vor den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen, und schob ihn durch die Tür in ihre Wohnung.
    » Entschuldige«, murmelte sie und tappte nach dem Lichtschalter im Flur. Sie knöpfte sich den Mantel auf und fröstelte, weil ihr jetzt, als ihr dieser Hüne in ihrem Korridor gegenüberstand, allmählich dämmerte, was sie sich da eingebrockt hatte: In ihrer Wohnung befand sich ein Mann, der nur mit ihr nach Hause gekommen war, um ihren Körper zu berühren. Mit seinen Händen. Plötzlich fühlte sich das Ablegen des Mantels so an, als würde sie sich nackt ausziehen. Sie würde zwar garantiert nicht mit Max schlafen, aber sie würden sich berühren. Und so, wie sie ihn vorhin an der U-Bahn-Station geküsst hatte, erwartete er bestimmt… Himmel, sie hatte keine Ahnung, was er erwartete, und genau das flößte ihr eine Heidenangst ein.
    Mit hängenden Schultern stand sie da und verfolgte, wie Max den Schal abnahm und den Mantel ablegte. » Soll ich alles hier aufhängen?« Er zeigte auf die Haken an der Wand.
    » Ja.« Neve drehte sich in Zeitlupe um, als wäre sie zum ersten Mal in dieser Wohnung, und versuchte, sich etwas zu fassen. » Das Wohnzimmer ist hier drüben.«
    Ihr war, als würde sie Max’ Atem im Nacken spüren, als sie das Wohnzimmer betrat, um einige kleine Lampen einzuschalten. Schummrige Beleuchtung war ihre einzige Chance, aus dieser Sache herauszukommen, ohne völlig ihre Würde zu verlieren.
    Max setzte sich auf das Sofa, auf das Neve nervös gedeutet hatte, und sah sich interessiert um. Ursprünglich hatte diese Etage zwei Schlafzimmer beherbergt; ihr Vater hatte die Zwischenwand eingerissen und einen großen Raum daraus gemacht. Weder Celia noch Douglas hatten die alten Möbel ihrer Großmutter haben wollen, also hatte sich Neve das schäbige Chesterfield-Ledersofa und die beiden mit verschlissenem rotem Samt bezogenen Fauteuils unter den Nagel gerissen. An zwei Wänden befanden sich Bücherregale, die vom Fußboden bis zur Decke reichten. Den Schreibtisch hatte Neve vor dem Fenster in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers platziert, von wo aus sie auf die Bahnschienen und ein Wäldchen sehen konnte. Dann waren da noch ihre Bücher. Sie standen nicht nur in den Regalen, sondern stapelten sich auch auf ihrem

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