Was sich kusst das liebt sich
Donnerstagmorgen kriegst du kalte Füße, wetten?«
» Niemals!«, rief Neve, dabei hoffte sie insgeheim immer noch– bis jetzt vergeblich–, dass Mandy die Hochzeit abblasen würde, weil ihr Verlobter einer dieser Fußballer war, die ständig fremdgingen, und von der Regenbogenpresse als notorischer Schürzenjäger entlarvt wurde.
Alternativ hoffte sie, dass entweder Max oder sie selbst urplötzlich von irgendeiner fiesen Darmerkrankung wie dem Norovirus heimgesucht wurde. Aber wann immer sie mit ihm telefonierte, plapperte er– ganz entgegen seiner sonst so coolen und nonchalanten Art– munter drauflos und erzählte, dass er noch seinen Anzug von Dior Pour Homme zur Reinigung bringen müsse, oder er erkundigte sich, welche Musik sie auf der Fahrt hören wolle.
Nein, sie konnte keinen Rückzieher machen, wenn er sich so auf diese Hochzeit freute. Nicht nur, weil sich dort so viele berühmte Leute tummeln würden, sondern, weil er gewissermaßen ein Ehrenmitglied der Familie war. Mandy und Darren hatten ihn sogar bei der Formulierung des Ehegelübdes um Hilfe gebeten, und außerdem hatte Max auf Mandys Anweisung haufenweise Northern-Soul-Klassiker auf seinen iPod geladen, weil sie dem DJ , den sie für die Feier gebucht hatten, nicht vertraute. Für jemanden, der sonst nicht viel für Beziehungen übrighatte, wirkte er ziemlich begeistert über die Tatsache, dass Mandy und Darren den Bund der Ehe schließen wollten.
Die Vorstellung, dass sich sowohl die McIntyres als auch die geladenen Gäste garantiert fragen würden, wo zum Geier Max seine Begleiterin aufgegabelt hatte, verursachte Neve Schweißausbrüche. Und was, wenn diese Hochzeit ihren gesamten Trainings- und Ernährungsplan durcheinanderbrachte? Würde sie in diesen vier Tagen genügend Gelegenheiten bekommen, sich zu bewegen? Würde es im Hotel ungesüßtes Müsli geben oder bloß die gängigen Cerealien, die praktisch nur aus Zucker bestanden? Würde sie ohne ihr Schaumstoffkissen mit Memory-Funktion schlafen können? Sie wusste, sie machte sich mit all diesen dämlichen Fragen nur selbst verrückt, aber sie war ein Gewohnheitstier, das mit dieser Hochzeit arg auf die Probe gestellt wurde.
Es war fast eine Erleichterung, als sie bei ihrer Ankunft im Archiv am Mittwochmorgen eine E-Mail von Jacob Morrison in ihrer Inbox fand. So konnte sie sich zur Abwechslung mal über etwas anderes den Kopf zerbrechen.
Liebe Neve,
tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Gestern Nacht habe ich Mein Tanz am Rand der Welt gelesen – ich war bis drei Uhr wach, weil ich es einfach nicht aus der Hand legen konnte.
Ich bin der Ansicht, dass Sie hier auf etwas ganz Besonderes gestoßen sind. Ich bin begeistert von Lucys Stil, von ihrem trockenen Humor und ihrer Fähigkeit, sich gefühlvoll auszudrücken, ohne auch nur ein einziges Mal ins Sentimentale abzugleiten. Könnten Sie mir Lucys Kurzgeschichten und Gedichte per Kurier zukommen lassen?
Ich habe auch das Exposé der Biografie gelesen und würde mir gern ansehen, was Sie bis jetzt geschrieben haben.
Beste Grüße
Jacob
Aus der Nachricht ging nicht hervor, ob er das Exposé gut gefunden hatte oder nicht, aber die Tatsache, dass er ihre Biografie anforderte, ließ sie hoffen. Andererseits tat er es womöglich nur, weil er sich in seiner Vermutung bestätigt sehen wollte, dass sie kaum einen vernünftigen Satz zusammenbrachte.
Auf ihre Arbeit konnte sie sich jetzt nicht mehr konzentrieren. Stattdessen machte sie sich daran, ihre sechseinhalb Kapitel noch einmal gründlich zu überarbeiten.
Wann immer Mr Freemont hereinschaute und sie fleißig vor sich hintippen sah, schenkte er ihr ein schmales Lächeln (er hatte seine Niederlage bei der Jahreshauptversammlung noch nicht verkraftet) und ließ sie wieder allein.
Sie brachte den ganzen Tag und einen Gutteil der Nacht damit zu, ihren Schreibstil noch etwas aufzupeppen, wobei sie in ihren Gedankengängen mehrfach unterbrochen wurde, weil Chloe ihr immer wieder Links zu den Webseiten diverser Boulevardzeitungen schickte, die allerlei groteske Neuigkeiten über die bevorstehende WAG -Hochzeit verbreiteten. So hieß es beispielsweise, mitten auf der Tanzfläche des Saals, in dem die Hochzeitsfeierlichkeiten stattfinden würden, solle ein künstlicher Seerosenteich (samt Schwänen) angelegt werden; die Genehmigung dafür käme von der Queen höchstpersönlich. Also bitte!
Als am Donnerstagmorgen um zehn der Kurier kam und die beiden großen
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