Was sich liebt, das küsst sich - Gibson, R: Was sich liebt, das küsst sich - Nothing but Trouble
kurzer Monate hatte sich seine Einstellung zu ihr radikal verändert. Der Wunsch, sie so schnell wie möglich loszuwerden, hatte sich zu dem Bedürfnis gewandelt, in einer Menschenmenge nach ihr Ausschau zu halten, und er mied sie nicht mehr, weil er sie nicht mochte, sondern weil er sie zu sehr mochte. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, bei dem er sich wieder unversehrt fühlte. Wie ein ganzer Mann.
Jules wirbelte sie herum und zog sie wieder an seine Brust. Mark fühlte sich plötzlich alt und müde. Er stellte sein Bier auf ein leeres Tablett und lief zur Tür. Es war eine Ironie des Schicksals, dass ihn ausgerechnet der Mensch auf der Welt, der ihn emotional auftankte, daran erinnerte, dass er leer war.
FÜNFZEHN
Während die Band eine recht annehmbare Version von Harder to Breathe sang, warf Chelsea einen Blick über Jules’ Schulter. Seine Hand lag schwer auf ihrer Taille, seine Handfläche warm an ihrer. Sie mochte Jules. Er war ein attraktiver Mann mit einem phänomenalen Körper, aber es war ein anderer attraktiver Mann mit einem phänomenalen Körper, nach dem sie in dem schummrigen Ballsaal Ausschau hielt. Eben noch hatte sie Mark an der Bar gesehen. Jetzt stand er nicht mehr da.
»John Kowalsky wurde vor ein paar Jahren in die Hall of Fame eingeführt«, erzählte Jules ihr. »Er gehörte zu den Spielern, die, genau wie Bressler und Savage später, mit ihrer Körpergröße dominierten und deren Schlagschüsse eine Geschwindigkeit von über 160 Stundenkilometern hatten.«
» Wer ist das?«
»Hab ich doch gerade gesagt. Hast du nicht zugehört?«
Nein. »Entschuldige. Die Musik ist laut.«
»Der Schrank von einem Mann, der links von dir mit der großen Brünetten tanzt. Hier im Saal wimmelt es nur so von Eishockeylegenden.«
Jules klang total aufgeregt, als würde er sie gleich mit Statistiken volllabern. »Was ist, verabredest du dich mal richtig mit meiner Schwester?«, fragte sie, bevor sie noch gezwungen wäre, diesen Stumpfsinn zu ertragen.
Jules hielt mitten im Schritt inne. »Wir streiten zu viel.«
»Weil ihr sexuell frustriert seid.« Chelsea blieb ebenfalls stehen und sah in seine grünen Augen. »Ihr seid wie Katzen kurz vor der Paarung. Du meine Güte, schnapp sie dir, und besorg’s ihr endlich.« Jules klappte den Mund auf, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber wieder. Die Musik brach ab, und Chelsea schnappte sich ihre Handtasche von einem der runden Tische. Als sie sich im Foyer nach dem WC-Schild umsah, entdeckte sie Mark, der nicht weit entfernt mit einer Gruppe zusammenstand und sich angeregt unterhielt. Er hatte den Kopf schief gelegt, während er Faith Duffy aufmerksam zuhörte. Die dunkelgraue Anzugjacke hatte er offen und steckte eine Hand lässig in die Tasche seiner Wollhose. Als könnte er ihre Anwesenheit spüren, sah er auf und schaute Chelsea über die Schulter der Frau hinweg an. Seine braunen Augen fixierten sie, bevor sich sein Blick auf ihren Mund senkte. Er lächelte und sagte etwas zur Mannschaftseigentümerin, während sein Blick über Chelseas Hals zu ihrer Brust glitt. Ein heißer Schauder lief ihr über den Rücken, und ihre Schritte verlangsamten sich. Sie zwang sich weiterzugehen, einen Fuß vor den anderen zu setzen, weiter und weiter von ihm weg. Bis zum Ende des langen Foyers, bis sie in der kühlen Toilettenkabine war. Es gab so viele Männer auf der Welt. Warum musste sie ausgerechnet etwas für den einzigen Mann empfinden, der tabu für sie war?
Nach dem Toilettengang stellte sie ihre Handtasche auf die Ablage neben dem Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Warum musste ihr Körper ausgerechnet auf ihn reagieren? Sie bildete sich nicht ein, ihn zu lieben. Das zwischen ihnen war nichts als Lust. Intensive Lust, die heiß und heftig loderte und letztlich schnell ausbrannte.
Sie trocknete sich die Hände und öffnete ihre Handtasche. In der Seidenauskleidung lag ein pinkfarbener Lippenstift, mit dem sie sich rasch nachschminkte. Solche Komplikationen konnte sie nicht gebrauchen. Sie wusste, was sie vom Leben wollte. Sie hatte einen Plan, und er war der Einzige, der ihr alles kaputtmachen konnte. Am besten tat sie es ihm gleich und ging ihm aus dem Weg. Was natürlich nicht möglich war. Schon gar nicht, wenn er, an die Feuertür gelehnt, gegenüber der Toilettentür im Flur stand. Die Tür fiel hinter ihr zu, und sein intensiver Blick ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben.
»Suchen Sie die Herrentoilette?«
Er schüttelte den
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