Weiberregiment
Frau, der wir begegnet sind? Sie sah nicht wie ein Werwolf aus!«
»Normalerweise sehen Werwölfe auch nicht wie Werwölfe aus«,
erwiderte Mumm. »Bis sie zum Werwolf werden, wenn ihr versteht, was
ich meine. Und Angua folgte euch, weil ich nach etwas Ausschau hielt,
das Tausende von Menschen vor dem Tod bewahren konnte. Und das
sind ebenfal s keine Winkelzüge.« Mumm stand auf. »Und nun, meine
Damen, muss ich gehen und euer Dokument den Anführern der
Allianz vorlegen.«
»Du hast genau zur richtigen Zeit beschlossen, dein Büro zu verlassen
und eine Zigarre zu rauchen«, sagte Polly langsam und sorgfältig. »Du
wusstest, dass wir unterwegs waren, und du hast alles so arrangiert, um als Erster mit uns sprechen zu können.«
»Natürlich. Ich kann dies doch keinem Haufen… Ruperts
überlassen.«
»Wo ist mein Bruder, Herr Mumm?«, fragte Polly steif.
»Du scheinst dir sicher zu sein, dass ich es weiß…«, sagte Mumm,
ohne sie anzusehen.
»Ja, das bin ich«, bestätigte Polly.
»Warum?«
»Weil es sonst niemand weiß!«
Mumm drückte die Zigarre aus. »Angua hatte Recht, was dich
betrifft«, sagte er. »Ja, ich habe dafür gesorgt, dass man ihn in
›Schutzhaft‹ nimmt, wie ich das nenne. Es geht ihm gut. Angua bringt
dich jetzt zu ihm, wenn du möchtest. Zu deinem Bruder, der
Möglichkeit von Rache und Erpressung und wer weiß was… Ich habe
mir gedacht, dass er sicherer ist, wenn ich weiß, wer die Schlüssel hat.«
Das Ende der Reise, dachte Pol y. Aber das stimmte nicht, nicht
mehr. Sie hatte den Eindruck, dass der Mann ihr gegenüber ihre
Gedanken las.
»Darum ging es bei dieser ganzen Sache?«, fragte er.
»Nein, Herr«, widersprach Pol y. »Damit begann sie.«
»Nun, es geht so weiter«, sagte Mumm. »Dies wird ein arbeitsreicher
Tag. Ich bringe jetzt dieses Angebot eines Waffenstillstands in den
Raum weiter unten im Korridor und präsentiere es sehr wichtigen
Männern…« Bei diesen Worten wurde seine Stimme monoton. »…die
darüber reden, was mit Borograwien geschehen sol . Ihr werdet den
Waffenstil stand bekommen, Nahrungsmittel und vermutlich auch
weitere Hilfe.«
»Woher weißt du das?«, fragte Polly. »Sie haben noch nicht darüber
gesprochen!«
»Noch nicht. Aber wie ich schon sagte… Ich war einmal Feldwebel.
Angua!«
Die Tür öffnete sich, und Angua kam herein. Mumm hatte Recht: Es
ließ sich nicht feststel en, wer ein Werwolf war, bis man es
herausfand…
»Ich sol te mich besser rasieren, bevor ich vor die sehr wichtigen
Männer trete«, sagte Mumm. »Darauf legt man Wert.«
Pol y war verlegen, als sie zusammen mit Feldwebel Angua die Treppe
hinunterging. Wie sol te sie ein Gespräch beginnen? »Du bist also ein
Werwolf?« klang ziemlich idiotisch. Zum Glück waren Jade und
Maladikta im Vorzimmer geblieben.
»Ja, das bin ich«, sagte Angua.
»Ich habe nicht gefragt!«, entfuhr es Pol y.
»Nein, aber ich bin an solche Situationen gewöhnt. Ich habe gelernt,
die Art zu erkennen, in der die Leute die Dinge nicht aussprechen. Sei unbesorgt.«
»Du bist uns gefolgt.«
»Ja.«
»Du musst gewusst haben, dass wir keine Männer sind.«
»O ja«, bestätigte Angua. »Mein Geruchssinn ist viel besser als meine
Augen, und meine Augen sind sehr scharf. Menschen sind stinkende
Geschöpfe. Wie dem auch sei, ich hätte es Herrn Mumm nicht
verraten, wenn ich euch nicht darüber reden gehört hätte. Jeder hätte
euch hören können; dazu musste man kein Werwolf sein. Jeder hat
Geheimnisse, die er für sich behalten möchte. In dieser Hinsicht sind
Werwölfe ein wenig wie Vampire. Man toleriert uns – wenn wir
vorsichtig sind.«
» Das verstehe ich«, sagte Polly. Es gilt auch für uns, dachte sie.
Angua blieb vor einer schweren, mit Nägeln beschlagenen Tür stehen.
»Er ist da drin«, sagte sie, holte einen Schlüssel hervor und drehte ihn
im Schloss. »Ich gehe zurück und rede mit den anderen. Komm zu mir,
wenn du hier fertig bist…«
Pol y trat mit klopfendem Herzen durch die Tür, und dort war Paul.
Und sie sah auch einen Bussard auf einer Stange am offenen Fenster
sitzen. Und an der Wand, wo Paul mit solcher Hingabe arbeitete, dass
seine Zunge aus dem einen Mundwinkel ragte und er gar nicht
bemerkte, dass jemand hereingekommen war, flog ein zweiter Bussard
vor dem Sonnenaufgang.
In diesem Augenblick konnte Pol y Ankh-Morpork alles verzeihen.
Jemand hatte Paul bunte Kreide besorgt.
Der lange Tag wurde noch länger.
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