Weiberregiment
uns Feinde.«
»Einen Augenblick, Feldwebel«, sagte Bluse, der von einer Zeitung
aufgesehen hatte und die Erscheinung mit großem Interesse
beobachtete. »Es gibt historische Präzedenzfäl e. General Song Sung
führte ein als Sonnenblumen getarntes Heer. Und General Taktikus
befahl einmal einem Batail on, sich als Fichten zu verkleiden.«
» Sonnenblumen ?«, wiederholte Jackrum, und Verachtung triefte aus
seiner Stimme.
»Beide Aktionen waren erfolgreich, Feldwebel.«
»Keine Uniformen? Keine Abzeichen? Keine Streifen, Herr?«
»Du könntest viel eicht eine besonders große Blume sein«, erwiderte
Bluse, und sein Gesicht zeigte dabei nicht den geringsten Humor. »Und
bist du nicht gestern Nacht aktiv gewesen, als alle Abzeichen unsichtbar
waren?«
»Jaherr, aber Nacht ist Nacht, Herr, und Sonnenblumen sind… sind
Sonnenblumen, Herr! Ich trage diese Uniform seit mehr als fü… mein
ganzes Leben lang, Herr, und ohne Uniform herumzuschleichen ist
ganz und gar unehrenhaft! Spione machen so was!« Jackrums Gesicht
war karmesinrot angelaufen, und es verblüffte Pol y, dass sie Tränen in
seinen Augenwinkeln sah.
»Wie können wir in unserem eigenen Land Spione sein, Feldwebel?«,
fragte Bluse ruhig.
»Da hat der El-Teh Recht, Feldwebel«, ließ sich Maladikt vernehmen.
Jackrum drehte sich wie ein zum Angriff bereiter Stier, und dann
sackte er zu Pollys Erstaunen in sich zusammen. Aber sie staunte nicht
lange, denn sie kannte den Feldwebel. Sie wusste nicht, warum, aber sie
konnte Jackrum durchschauen. Es lag an seinen Augen. Er konnte mit
Augen lügen, die so ehrlich und unschuldig blickten wie die eines
Engels. Und wenn er zurückzuweichen schien, so wol te er nur Anlauf
nehmen.
»Na schön, na schön«, sagte der Feldwebel. »Ich bin kein Mann, der
Befehle missachtet, wie ich beschwören kann.« Und es funkelte in
seinen Augen.
»Ausgezeichnet, Feldwebel«, erwiderte Bluse.
Jackrum riss sich zusammen. »Aber ich möchte keine Sonnenblume
sein«, sagte er.
»Zum Glück gibt es hier nur Fichten, Feldwebel.«
»Guter Hinweis, Herr.« Jackrum wandte sich an die ehrfürchtige
Truppe. »Na schön, al es ist gesagt«, donnerte er. »Ihr habt den Mann
gehört! Werft euch in Schale!«
Eine Stunde später. Soweit Pol y es feststel en konnte, waren sie in
Richtung der Berge aufgebrochen und dann in einem weiten Bogen
zurückgekehrt, sodass sie nur einige Meilen vom Ausgangspunkt
entfernt waren. Führte Bluse die Gruppe an, oder hatte er das Jackrum
überlassen? Keiner der beiden Männer klagte.
Der Leutnant ließ die Gruppe in einem Birkendickicht anhalten, das
daraufhin doppelt so groß wurde. Man konnte sagen, dass die Tarnung
effektiv war, denn Rot und Weiß zeichnen sich neben Grün und Grau
deutlich ab. Jenseits davon versagt die Sprache.
Jade hatte die Farbe von sich abgekratzt und war ohnehin grün und
grau. Igorina sah aus wie ein wandelnder Pinsel. Reißer zitterte die
ganze Zeit über wie Espenlaub, weshalb ihre Blätter ständig raschelten.
Die anderen hatten mehr oder weniger erfolgreiche Versuche
unternommen, und Pol y war recht stolz auf ihre eigenen Bemühungen.
Jackrum war so baumartig wie ein großer roter Gummibal – Pol y
vermutete, dass er alle seine Messingteile heimlich poliert hatte. Jeder
Baum hielt einen Becher im Ast beziehungsweise in der Hand.
Immerhin hatten sie für fünf Minuten Rast gemacht.
»Männer«, sagte Bluse, als wäre er gerade erst zu diesem Schluss
gelangt, »ihr glaubt viel eicht, dass wir in die Berge zurückkehren, um
dort eine Streitmacht aus Deserteuren zusammenzustellen. Aber diese
Geschichte ist ein Trick , der Herr de Worde täuschen sol !« Er zögerte kurz, als rechnete er mit einer Reaktion. Die Rekruten sahen ihn nur
stumm an. »In Wirklichkeit setzen wir den Weg zum Kneck-Tal fort,
und damit rechnet der Feind bestimmt nicht.«
Polly sah zum Feldwebel. Jackrum lächelte.
»Es ist eine gesicherte Tatsache, dass eine kleine Gruppe in Bereiche
vorstoßen kann, die einem Batail on verwehrt bleiben«, sagte Bluse
munter.
»Jaherr!«
»Wir werden an den Wachen des Feindes vorbeischlüpfen…«
»Jawohl, Herr«, sagte Jackrum.
»…und ihm die Festung unter der Nase wegschnappen!«
Jackrums Tee spritzte über die Lichtung.
»Ich wage zu behaupten, dass sich unser Feind für uneinnehmbar
hält, weil er eine schwer bewaffnete Festung kontrolliert, die sich auf
einem hohen Felsen erhebt und deren Mauern
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