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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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will.«
    »Du weißt, dass sie es schaffen wird. Sie hat es immer geschafft …«
    »Diesmal nicht«, sagte mein Vater düster. »Ich fürchte, diesmal nicht …«
    »Wie meinst du das?«
    »Sie hat mir verboten, ihr zu helfen. Ich kann nichts machen. Immer wenn ich mich im Wohnzimmer blicken lasse, scheucht sie mich hinaus, als sei ich der Vollstreckungsbeamte des Finanzamts. Es sind nur noch drei Tage bis zum Fest. Wie soll das gehen – die Weihnachtsdekoration, das Geburtstagsmenü, das Eindecken? Es ist noch nichts eingekauft, weißt du, noch gar nichts. Nicht mal Fleisch vorbestellt. Ich hab ihr angeboten, auf dem Elisabethmarkt Bestellungen aufzugeben, aber sie hat nur abgewunken. ›Aber nicht doch, Fritz‹«, Papa imitierte perfekt ihre Stimme, »›darum musst du dich doch nicht kümmern.‹«
    »Vielleicht sollten wir mitten in der Nacht den großen Esstisch ausziehen und eindecken … Mama einfach vor vollendete Tatsachen stellen«, schlug ich vor. »Ein Service steht ja schon da …«
    »Sinnlos, mein Junge, vollkommen sinnlos. Das ist alles nur vorläufig, glaub’s mir. Wir würden mit Sicherheit nicht das ›richtige‹ Service decken. Sie würde alles wieder abräumen. ›Doch nicht diese Blumenmotive, Fritz, wo denkst du hin. Wir nehmen natürlich das große goldene Geschirr, schließlich ist Weihnachten. Und mein Geburtstag.‹«
    »Dann decken wir eben das goldene Service!«
    »Aber welches? Wir haben bekanntlich zwei.«
    »Wir haben zwei ?«
    »Ja, eins steht im Keller, gut verstaut in Kisten. Gut möglich, dass Betty daran denkt, ausgerechnet dieses Service wieder aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Wer weiß das schon?«
    Er versank in Schweigen. Es hatte keinen Sinn, mit ihm über Mama zu debattieren, schließlich hatte er die mit Abstand meiste Lebenserfahrung mit ihr. Eine Zeit lang blickte Papa nur düster vor sich hin, paffte an der Zigarre, trank einen Schluck Cognac. Und machte dann eine Erklärung, während derer der Zigarillo, den ich mir angezündet hatte, ausging.
    »Weißt du, Johannes, ich liebe meine Frau. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Ich liebe sie wirklich …«
    »Ach, Papa …«, beschwichtigte ich, etwas peinlich berührt, da ich nicht wusste, wo das hinführen sollte.
    »Doch, doch. Ich liebe sie«, beharrte er. »Aber sie macht es mir schwer, von Tag zu Tag schwerer, sie zu lieben, ja überhaupt zu mögen. Sie ist zum personifizierten Vorwurf mutiert, zur unzufriedenen Dauerstresserin. Sie gibt nicht nach, niemals … keinen Millimeter. Trifft sie auf Widerstand oder Widerspruch, schaltet sie auf stur. Sie blickt durch dich hindurch, mit diesem seltsam abwesenden Blick, als seist du nur eine Stimme, die aus dem Radio in einem anderen Zimmer an ihr Ohr dringt und die sie nicht versteht. Vorgestern, als ich dich
anrief …«
    Er machte eine Pause, als müsse er Kräfte sammeln für ein Geständnis.
    Ich sagte vorsichtig: »Ja?«
    »Vorgestern … da nannte sie mich plötzlich nicht mehr Fritz, nicht einmal Friedrich …«
    »Sondern?«
    »Sie sagte Francis zu mir.«
    »Aber das ist doch Unfug, Papa. Du musst dich verhört haben.«
    Er nickte grimmig. »Schön wär’s. Es passierte insgesamt drei Mal. Sie nannte mich Francis, ich hab’s ganz deutlich gehört. Und glaub mir … ich bin es nicht, an dessen Verstand hier gezweifelt werden muss. Ich nicht!«
    »Wer ist Francis?«, fragte ich irritiert.
    »Was weiß ich? Vielleicht erkennt sie mich schon nicht mehr. Vielleicht verwechselt sie mich mit jemand anderem. Vielleicht ist Francis ihr Liebhaber …«
    »Papa!«
    »Ja, warum denn nicht? Sie ist doch eine attraktive Frau, sie ist doch immer noch sehr schön, findest du nicht?«
    Ich nickte nur.
    »Warum sollte sie keinen Liebhaber haben? Vielleicht hat sie ihn ja letztes Frühjahr in Marienbad kennengelernt, als sie sechs Wochen mit Eleonore zur Kur war.«
    Eleonore ist die beste Freundin meiner Mutter. Undenkbar, dass Mama sich einen Kurschatten angelacht hatte.
    »Und selbst wenn«, warf ich aufsässig ein. »Es gibt ja wohl überhaupt keinen Grund, dich mit diesem … mit irgendeinem Francis zu verwechseln. Wer macht das denn?«
    »Was weiß ich?«, sagte er wiederum hilflos. »Ich sage ja auch gar nicht, dass es diesen Francis wirklich gibt. Umso beunruhigender, findest du nicht – den eigenen Ehemann mit einem ausgedachten Namen anzusprechen.«
    »Möglicherweise wollte sie nur witzig sein? Oder dich aus der Reserve locken? Dich auf die Palme bringen?

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