Weil sie sich liebten (German Edition)
Lokalnachrichten. Ich kann nirgends hingehen,
ohne dass mich die Leute anstarren. Manchmal schüttelt ein Mann den Kopf,
ungefähr so, als tät’s ihm leid, und hin
und wieder redet mich auch mal einer an
und sagt: Hey, tut mir leid, Mann . Aber die Frauen –
die schauen mich an, als wär ich der letzte Dreck. Der allerletzte Dreck.
Finden Sie das vielleicht fair?
Ich hab sie nicht mal gekannt. Das ist ja die Scheiße.
Ich versteh, dass man bezahlen muss. O ja, das hab ich kapiert.
Meine Frage ist: Wie lange?
Matthew
M atthew war stocksauer. Das ganze Theater
hatte seinen Sohn völlig aus der Bahn geworfen. Hatte es irgendjemandem etwas
gebracht? Hatte es der Avery Academy geholfen? Nach allem, was Matthew gehört
hatte, stand die Schule inzwischen vor dem Aus. Hatte es den Jungen etwas
gebracht, dass sie an den Pranger gestellt worden waren? Kein vernünftiger
Mensch konnte das bejahen. Einer von ihnen kam, soweit Matthew gehört hatte,
überhaupt nicht mehr in die Gänge. Ein zweiter, sein eigener Sohn, hing
hoffnungslos in der Luft zwischen Highschool und Universität.
James war jetzt einundzwanzig. Vor dem Desaster war er auf dem Weg
ins Basketballteam der Gonzaga-Universität gewesen. Gleich mehrere
Universitäten hatten um ihn geworben. Die Angebote, die er bekommen hatte!
Matthew und seine Frau waren am Middlebury-College angestellt –
Matthew in der Verwaltung, Michelle war Mathematikdozentin –, da war Geld natürlich
immer knapp. So glänzende Zukunftsaussichten, ein Traum war das gewesen. Aber
der Traum war jetzt ausgeträumt. Die große Chance war dahin. Das Außerordentliche,
das seinen Sohn erwartet hatte, würde sich nun niemals ereignen. Selbst die
alltäglichen Dinge, die sein Sohn hätte erleben sollen – selbst die würden sich
nun niemals ereignen.
Nach Matthews Meinung hätte der Vorfall zwischen der Schule und den
Jungen geregelt werden sollen. In aller Stille. Es war nicht nötig gewesen,
damit an die Öffentlichkeit zu gehen; Matthew gab dem Mädchen die Schuld daran,
dass es dennoch dazu gekommen war. Es hieß, sie habe ihren Namen geändert und
sei an eine Schule in Houston gegangen. Ihm kam jedes Mal die Galle hoch, wenn
er an sie dachte.
Matthew und Michelle hatten damals beschlossen, ihren Sohn für sein
Zusatzjahr auf die Avery Academy zu schicken, weil die Schule in der Nähe von
Middlebury war, wo sie arbeiteten – nur eine Autostunde entfernt. Zuvor war
James in Easton gewesen, wo er sich im Sport zwar hervorgetan, jedoch in den
wissenschaftlichen Fächern Schwierigkeiten gehabt hatte. Matthew und Michelle
wussten, dass James auch in Avery im Internat würde wohnen müssen, aber wenigstens an den Wochenenden
konnten sie ihn sehen. Zudem hatte Matthew eigens seine Arbeitszeiten
umgestellt, um mittwochs und samstags zu den Basketballspielen fahren zu
können. Er hatte kaum eines versäumt. Diese üble Geschichte war auch für
Matthew und Michelle äußerst unangenehm gewesen. Sie hatte ihrem Ruf ernstlich
geschadet. Zwar sagte es ihnen keiner ins Gesicht, aber Matthew wusste, dass es
so war. Über Nacht waren sie gesellschaftlich suspekt geworden. Ein wenig hatte
das inzwischen nachgelassen, aber Matthew wusste, dass es am College immer noch
Leute gab, die sie niemals in ihr Haus einladen würden. Für Michelle war das
besonders schlimm gewesen. Es war ja leicht, den Müttern an allem die Schuld in
die Schuhe zu schieben. Als hätten sie es nicht geschafft, ihren Söhnen die
richtigen Werte mitzugeben. Dabei kannte Matthew keine Frau, die eine bessere
Mutter war als Michelle.
Matthew war überzeugt, dass es zu dem ganzen Fiasko nur gekommen
war, weil dieses Mädchen sich eingebildet hatte, ein paar Stars verführen zu
müssen. Sie hatte sich und der Welt beweisen wollen, dass sie mindestens einen
der Stars an der Schule kriegen konnte. Warum sonst wäre die Sache auf Band
aufgezeichnet worden? James war ein Star an der Schule gewesen. Und die anderen
beiden Jungen auch.
Das Mädchen und die Person hinter der Kamera hatten einiges zu
verantworten.
Matthew wusste nicht, wer hinter der Kamera gestanden hatte. James
hatte es nie gesagt, und Matthew fand das respektabel.
Matthew und Michelle hatten gewusst, dass James in Easton mit
Alkohol und Drogen experimentiert hatte. Das hatte dort zu Schwierigkeiten
geführt, und James war der Schule verwiesen worden, weil er Marihuana verkauft
hatte. Danach hatten er und Michelle ihren Sohn näher bei sich haben wollen.
Avery
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