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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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verlässlich zu sein.
    »Ich will nur eine Weile bei dir bleiben«, bat sie und legte ihre Hand auf meine Schulter. »Es tut mir leid, Liebes. Es tut mir leid. Es ist zu kalt, um im Van zu schlafen. Du weißt es nicht? Du hast es noch nicht gewusst? Liebes, ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.«

Kapitel 10
    Sie war zu müde, um mir die ganze Geschichte zu erzählen. Kurz gesagt, meinte sie, sei sie wegen des Hundes aus der Wohnung geworfen worden. Ja, sie habe finanzielle Probleme, die sie aber sicher bald bereinigen könne. Aber sie hoffe, ich werde verstehen, wenn sie jetzt im Moment nur noch ins Bett wolle. Ihre Socken seien nass geworden. Sie müsse sich ein Paar trockene von mir leihen, bevor sie nach unten zum Van gehe, um ihre restlichen Sachen und Bowzer zu holen.
    Dabei fragte sie nicht einmal, ob sie Bowzer in mein Zimmer bringen dürfe. Im Wohnheim galt ein strenges Verbot für Haustiere, aber ich versuchte nicht, sie aufzuhalten. Die ganze Situation schien so verkehrt zu sein, dass ich über nichts anderes nachdenken oder mir Sorgen machen konnte. Warum hatte sie auf einmal so wenig Geld, dass sie sich nicht einmal ein Motel leisten konnte? Eine heimliche Sucht? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Wetten? Schienen sie nie interessiert zu haben. Ich fragte mich, wie lange sie schon aus ihrer Wohnung heraus war und wo sie bisher geschlafen hatte. Im Van? Ich brachte es nicht über mich, sie danach zu fragen.
    Eigentlich hatte ich auch gar keine Gelegenheit dazu, und sobald sie meine Socken angezogen hatte, ging sie Bowzer holen. Sie machte sich trotz all der Decken Sorgen, weil er so lange im Wagen gewesen war. »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie zu mir und setzte ihre Mütze auf. Ihr cremefarbener Schal hatte irgendwelche Flecken bekommen - vielleicht war es Ketchup -, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. »Ich bringe ihn mit, sperr also nicht ab.« Sie trat in den Flur und spähte nach links und nach rechts, bevor sie mir einen Blick zuwarf. »Ich nehme die Hintertreppe. Niemand wird ihn sehen. Mach dir keine Sorgen. Und er hat sein Geschäft schon erledigt. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Als sie weg war, stand ich reglos da, starrte auf die geschlossene Tür und lauschte auf die vibrierenden Rohre über mir. Ich blinzelte und schüttelte den Kopf. Dann versuchte ich, mir etwas Vernünftiges einfallen zu lassen, was ich tun konnte; mir blieben nur ein paar Minuten Zeit, bis sie zurückkam. Ich könnte Elise anrufen. Aber es gab nichts, was sie in San Diego tun konnte, nicht heute Nacht, nicht jetzt gleich. Ich könnte meinen Vater anrufen und darauf bestehen, dass er meiner Mutter half. Ich könnte ihn daran erinnern, dass sie zwar nicht mehr verheiratet waren, ich aber immer noch seine Tochter und sie immer noch meine Mutter war, und dass ihm, wenn ihm etwas an mir lag, auch noch ein bisschen was an ihr liegen musste. Aber das würde ein langes, lautes Gespräch werden. Mein Vater könnte - und würde zweifellos - entgegnen, dass die Scheidung, an der sie die Schuld trug, auch ihn finanziell belastete und er nicht verantwortlich für ihr schlechtes Urteilsvermögen sei - oder was auch immer ihr ganzes Geld verschlungen hatte. Er lebe anspruchslos, würde er sagen. Er sei nicht in der Klemme. Jede Sorge um mich würde von seiner Weigerung, sich Sorgen um sie zu machen, überdeckt werden.
    Und außerdem würde meine Mutter es als Verrat ansehen, wenn ich ihn anrief. »Er will mich in Armut sehen«, hatte sie einmal zu mir gesagt. »Er will mich bestrafen. Er will, dass mir nichts mehr bleibt.«
    Ich sah auf die Uhr. Sie war schon seit zwei Minuten weg. Ich suchte in meinem Zimmer nach Sachen, die sie vielleicht lieber nicht sehen sollte - so, als wäre ich wieder vierzehn und würde mein Tagebuch wegschließen, aus Angst, ihre zwanghafte Neugier könnte über ihren Anstand siegen, wenn sie meine Wäsche wegräumte. Dann fiel mir ein, dass sie mittlerweile andere Prioritäten setzte und wahrscheinlich zu viele eigene Sorgen hatte, um sich über jede meiner Überlegungen oder Entscheidungen Gedanken zu machen. Trotzdem hob ich den Zettel auf, den Tim mir hinterlassen hatte, faltete ihn sorgfältig zusammen und steckte ihn in meine Schreibtischschublade.
    Als ich hörte, dass die Tür zum Treppenhaus aufging, lief ich durchs Zimmer und spähte in den Flur. Sie lief mit schweren, unbeholfenen Schritten auf mich zu, hatte sich die Träger einer Sporttasche um den Hals geschlungen und wiegte mit

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