Weil wir glücklich waren - Roman
und arbeitete fünfzehn Stunden pro Woche bei DeBeck's. Sie hatte geglaubt, sie würde zurechtkommen. Sie hatte vorgehabt, ein einfaches Leben zu führen, bis sich etwas Besseres ergab oder die Unterhaltsfrage endlich geklärt war.
»Es klingt fair, alles zu halbieren.« Sie machte eine Pause, um zu gähnen. »Aber wir hatten so viele Schulden. Und meine ... künftigen Verdienstmöglichkeiten muss man auch in Betracht ziehen.«
Möglichkeiten. Normalerweise ein gutes Wort. Aber hier wurde die Bedeutung umgekehrt und bedeutete Mangel an Möglichkeiten. Ich versuchte, etwas Nettes zu sagen. »Du klingst wie ein Anwalt«, scherzte ich. »Ich bin beeindruckt.«
»Ja«, erwiderte sie. »Ich zitiere meinen.« Sie lachte nicht. »Jedenfalls wurde ich dann wegen Bowzer aus der Wohnung geworfen. Ich habe schon eine neue Wohnung gefunden, wo Hunde erlaubt sind. Ich kann mir die Miete leisten. Aber sie wird erst nächste Woche frei. Ich muss sowieso bis nächsten Freitag warten, dann bekomme ich meinen Scheck und kann die Kaution bezahlen. Die letzte habe ich wegen Bowzer verloren.«
Danach schwieg sie eine Weile, aber ich lag wach und lauschte. Jemand rannte über den Flur und lachte laut und schrill. Und ich konnte Marleys Waldhorn hören, immer wieder dieselben drei Noten. Eigentlich durfte sie nicht in ihrem Zimmer üben, nicht nach zehn Uhr abends. Aber es war eine Erleichterung, mir vorzustellen, wie sie - ohne etwas von all dem Kummer in diesem Zimmer zu ahnen - gewissenhaft ihre Musik spielte, immer wieder dieselben drei Noten: eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, eins-zwei-drei.
Eine ganze Weile - vielleicht Minuten, vielleicht Stunden - lag ich wach und starrte in die Dunkelheit. Es war erst zwei Abende her, dass ich ihre Anrufe ignoriert hatte. Mir war bewusst, dass sich alles verschob, und ich fühlte ein neues Bedauern wie einen stechenden Schmerz in meiner Kehle. Der Schmerz war körperlich und fühlte sich echt an - und seltsamerweise wie etwas, das notwendig und richtig war. Als ich klein war, taten mir nachts im Bett manchmal die Schienbeine so weh, dass ich weinen musste. Wachstumsschmerzen, sagten meine Eltern. Die seien ein Märchen, hielt der Arzt dagegen. Trotzdem taten mir Nacht für Nacht die Beine weh, bis es irgendwann aufhörte und ich ein Stück größer geworden war.
Kapitel 11
Sie stand früh auf, um mit Bowzer rauszugehen. Sie zog sich dafür nicht an, sondern warf nur ihren Mantel über die Kleider, in denen sie geschlafen hatte, und zog ihre Stiefel über meine rosa Socken. Ihr Haar war ein Gewirr aus feinen Locken, aber sie hielt sich nicht mit Kämmen auf. Sie schaltete nicht einmal das Licht an, obwohl es draußen regnete und nur das fahle Grau eines verhangenen Sonnenaufgangs das Fenster erhellte.
Als sie merkte, dass ich sie beobachtete, legte sie erschrocken eine Hand an ihren Hals. »Entschuldigung«, wisperte sie. »Ich wollte ihn nicht warten lassen.«
»Warum flüsterst du?«
Sie verstaute Bowzer gerade unter ihrem Mantel. Er warf mir einen letzten verwirrten Blick zu, ehe seine Augen und seine Schnauze verschwanden.
»Weil du geschlafen hast.« Sie flüsterte immer noch. »Wann ist dein erster Kurs?«
»Um neun«, log ich. Ich hatte um elf einen Termin bei meinem Englischprofessor, vorher nichts. Ich rieb mir die Augen und blinzelte sie an, wobei ich mir überlegte, was andere Leute wohl denken würden, wenn sie sie im Flur oder unten in der Lobby sahen. Sie sah jetzt nicht mehr schwanger aus, sie sah aus, als würde sie etwas Unförmiges unter ihrem Mantel verstecken.
»Du musst vorsichtig sein, Mom. Du kannst ihn nicht einfach so auf den Rasen lassen. Im Ernst. Ich könnte meinen Job verlieren.«
»Ich weiß.« Sie klopfte auf ihre Manteltaschen. »Ich gehe wieder die Hintertreppe hinunter und fahre mit dem Van in irgendeinen Park oder so.« Sie warf mir eine Kusshand zu. »Und mein Bett mache ich, wenn ich zurückkomme. Deins auch, okay?«
»Es regnet«, sagte ich.
»Ich weiß.«
Als sie sich zum Gehen wandte, stieß sie an meinen Metallpapierkorb. Sie zuckte zusammen und hielt sich die Ohren zu.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie.
Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie in den Flur hinaus und schloss die Tür so leise hinter sich, dass ich befürchtete, sie hätte sie gar nicht zugemacht.
Als ich vom Duschen zurückkam, war auf meinem Handy eine Nachricht von Tim. Er sei gut zu Hause angekommen, sagte er und wollte, dass ich mir überlegte, wo wir essen gehen
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