Weiss
wollte. Angeblich hatte sie die Nase voll von Beeten und ihren vielen Anpflanzungen, und das war auch gut so, denn ihre Begeisterung für die Gartenarbeit war in den letzten Jahren allmählich zu einer Art Zwangsvorstellung geworden, sogar die Nachbarn hatten Tuula schon als »Mehrzweck-Gartengerät« bezeichnet.
»Was soll denn hier Boheme sein?«, fragte Tuula Numminen und schnaufte abfällig. »Es ist ein ziemlich starkes Stück, dass im Reiseführer Skadarlija mit dem Pariser Montmartre verglichen wird. Das hier ist eine schöne Gegend, dagegen lässt sich nichts sagen. Aber Paris ist dann doch noch etwas anderes.« Sie redete betont laut und beobachtete dabei ein kleines blondes Mädchen, das wenige Meter von ihnen entfernt saß. Das Kind erwiderte neugierig ihren Blick.
Eino Numminen hob die Kaffeetasse zum Mund und vergewisserte sich mit einem Blick aus den Augenwinkeln, dass seine Frau nicht zu ihm schaute, dann trank er klammheimlich seinen Kognak aus und bestellte sogleich noch einen, indem er das Glas hoch hielt, als die Kellnerin vorbeirauschte. Es wurmte ihn, dass seine Frau selbst an den Tagen, an denen er nicht mit dem Fahren dran war, argwöhnisch überwachte, was er trank. Zwar ödete es ihn an, ständig die Schnapsflaschen zu verstecken, andererseits sorgte dieses Hobby wenigstens für etwas hochwillkommene Spannung in seinem Leben. Er musste grinsen, als ihm sein neuestes Versteck einfiel – Tuula würde nie auf die Idee kommen, seine Rasierwasserflasche zu kontrollieren.
»Ich habe mir für den letzten Teil der Reise die Karte angeguckt und eine anscheinend ganz gute Straße durch eine schöne Landschaft gefunden. Sie führt von hier über Sarajevo und Mostar bis in die Gegend nördlich von Dubrovnik«, erklärte Eino Numminen, als die Kellnerin seinen Kognak brachte. Erstaunlicherweise sah seine Frau gar nicht verärgert aus, sondern starrte mit zusammengekniffenen Augen irgendwohin.
»Das kleine Mädchen dort versteht Finnisch«, sagte Tuula Numminen und nickte in Richtung eines blonden, blauäugigen Kindes, das zwei Tische weiter saß. »Ich beobachte das Mädchen schon eine ganze Weile, jedes Mal, wenn wir den Mund aufmachen und reden, schaut es zu uns her. Das Kind hat gelacht, als du den Witz von den schwedischen Touristen, die sich in Split verirrt haben, erzählt hast.«
»Das Mädchen sieht auch finnisch aus«, konstatierte Eino Numminen mit lauter Stimme in der Hoffnung, das Mädchen würde es hören und irgendwie reagieren. Dann beugte er sich zu seiner Frau hin und flüsterte: »Im Gegensatz zu der ganzen restlichen Gesellschaft an dem Tisch.«
Tuula Numminen schaute wieder angestrengt hinüber. »Das Mädchen wirkt irgendwie ängstlich.«
Plötzlich erhob sich der stämmige, stark behaarte Mann an dem Tisch, sagte laut etwas zu der Frau, die neben ihm saß, und packte das kleine, blonde Mädchen am Arm. Das Kind brach in Tränen aus und sträubte sich, doch der Mann hob es mit einer Hand so mühelos hoch wie einen Sack Federn und nahm es unter den Arm.
»Da stimmt irgendwas nicht«, verkündete Tuula Numminen, und ihrem Mann schwante nichts Gutes. Seine Frau hatte die schlechte Angewohnheit, ihre Nase in die Angelegenheiten fremder Leute zu stecken.
***
Kati Soisalo lag auf dem Bett und spürte, wie Jonnys Glied in ihr erschlaffte. Der muskulöse Mann war unheimlich schwer. Wie lange würde Jonny noch Lust auf sie haben? Die vierzehn Jahre Altersunterschied wurden zumindest in ihren Augen mit jedem Tag deutlicher: Jonny war erst Anfang zwanzig und in seiner Entwicklung zum erwachsenen Mann noch nicht am Ende angelangt, während sie selbst sich in raschem Tempo auf die Mitte des Lebens zu bewegte, nachdem sie kürzlich fünfunddreißig geworden war. Sie fühlten sich beide sehr wohl, wenn sie zusammen waren, und im Bett lief es normalerweise gut, aber von Anfang an stand die unausgesprochene Übereinkunft im Raum, dass ihre Beziehung zu nichts Festem führen sollte. Allerdings glaubte Kati Soisalo ohnehin nicht, dass sie fähig wäre, mit irgendjemandem in einer richtigen Partnerschaft zu leben, ob nun mit Jonny oder einem anderen. Nicht nach all dem, was Jukka Ukkola ihr angetan hatte. Und immer noch antat.
Jonny rollte von ihr herunter, beide waren nicht in bester Stimmung und schwiegen betreten, wie immer nach unbefriedigendem Sex.
»Sorry, ich war nicht richtig bei der Sache«, sagte Kati leise. »Ukkola läuft wieder mal auf Hochtouren, heute Morgen kam erin meine
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