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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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zurecht, dass so etwas unwahrscheinlich sei. Ein preußischer Offizier hatte sein Augenmerk gewiss nicht auf die Schädellehre gerichtet.
    „Nun ja, so weit würde ich nicht gehen“, wandte Stetten folgerichtig ein. „Es ist nur so, in meiner Pariser Zeit geriet ich, mehr oder weniger zufällig, in einen Vortrag eines Professors. Wie hieß der doch gleich? Gall?“
    „Was, Sie haben Gall persönlich gehört? Das ist ja phantastisch! Kommen Sie, setzten Sie sich. Sie müssen mir unbedingt davon erzählen!“
    Stetten kam der stürmischen Bitte nach und weil der Arzt mit wachsender Begeisterung Fragen stellte, konnte er sich an erstaunlich viele Einzelheiten des Vortrags erinnern, der damals unter der Pariser Zuhörerschaft eine kontroverse Diskussion ausgelöst hatte.
    Ernst war hingerissen.
    „Ist es wirklich erwiesen, dass der geschulte Phrenologe anhand der Ausbildung von bestimmten Schädelregionen Rückschlüsse auf das Seelenvermögen eines Menschen vornehmen kann?“, fragte Stetten. „So jedenfalls habe ich als Laie die Grundaussage von Professor Gall verstanden.“
    Ernst nickte, stand auf und nahm die anatomisch korrekte Nachbildung eines menschlichen Kopfes zur Hand, die ansonsten seine Anrichte zierte.
    „Sehen Sie hier, diese Erhebung ...“ Sein Zeigefinger umschrieb einen Bereich am Hinterkopf der Plastik. Allerdings sank ihm die Kinnlade herunter, als an der Nase seines Demonstrationsobjektes ein Tütchen in elegantem Bogen vorbeiflog, gegen das Ohr prallte und auf dem Schreibtisch liegen blieb. Fassungslos starrte er es an.
    „Schön, dass euch ein gemeinsames Interesse fesselt. Wo ist Lapérouse?“, bellte eine verzerrte Stimme aus dem Hintergrund. Dort stand Franz mit versteinerter Miene. Sein blutunterlaufenes Gesicht wirkte bedrohlich, dunkle Schatten umrissen seine Augen.
    Ernst und Stetten fuhren wie vom Lehrer ertappte Missetäter auf. Die Pritsche, auf der sie Lapérouse wähnten, war unbestritten leer.
    „Mein Gott, wie ist das möglich“, flüsterte Ernst entsetzt. Ihm wurden die Knie weich, so dass er auf seinen Stuhl zurücksank. Stetten stand da wie vom Donner gerührt.
    Eine Bewegung hinter dem Wandschirm ließ alle drei aufatmen. Kurz darauf vernahmen sie ein Geräusch. Es hörte sich so an, als ob ein Strahl mit beachtlichem Druck auf ein blechernes Gefäß treffe.
    „Es tut mir leid!“ Die Entschuldigung kam aus zwei Kehlen gleichzeitig.
    Franz winkte ab, aber seine Anspannung konnte er nicht verbergen. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.
    „Wir sollten die Sache jetzt zum Abschluss bringen“, meinte er mit einer Kopfbewegung in Richtung Wandschirm.
    Lapérouse trat hinter dem Schirm hervor. Er warf den Kopf zurück, so dass er einmal mehr hochmütig wirkte, legte sich auf die Pritsche, ohne Hilfe in Anspruch zu nehmen, und nickte entschlossen. Alle, auch Lapérouse, wussten es, sein zur Schau gestellter Hochmut war nur ein Schutzschild gegen die blanke Angst vor spitzen Instrumenten.
    Ernsts Erregung war bereits der inneren Ruhe gewichen, jener Ruhe, der sich ein Chirurg vor dem Eingriff sicher sein musste.
    Nach der Applikation des Morphiums wartete er noch eine Weile, damit das Mittel seine Wirkung entfalten konnte, dann begann er zu nähen. Stetten leuchtete, Franz hielt mal die Zunge mit einer martialisch anmutenden Zange fest, mal presste er den Kopf des Verletzten auf die Pritsche.
    Ernst hatte die erstaunten Blicke bemerkt, als er mit seinen fili-granen Instrumenten zu hantieren begann. Offenbar waren die Offiziere ein Operationsbesteck anderer Dimensionen gewohnt. Ein Feldchirurg durfte nicht zimperlich sein.
    Ernst machte viele kleine Stiche, damit im ebenmäßigen Gesicht seines Patienten keine hässlichen Narben zurückblieben.
    Lapérouse schwitzte. Seine Finger krallten sich trotz des Morphiums in das Laken der Pritsche. Nun, das war verständlich, bei den Schmerzen in der durchbohrten Zunge, zumal ein Stich auf den nächsten folgte. Außerdem hatte Lapérouse augenscheinlich Mühe damit, den permanent zusammenfließenden Speichel hinunterzuwürgen. Ernst murmelte fortwährend Beruhigendes vor sich hin: „Gleich ist es vorbei“, ein anderes Mal: „Sie haben es bald überstanden“, ungeachtet der tatsächlich notwendigen Anzahl von Stichen, die noch zu setzen waren.
    Als er wirklich den letzten Knoten schnürte, war Lapérouse durchgeschwitzt und völlig erschöpft. Er hielt die Augen geschlossen und presste die Zähne aufeinander, trotzdem rollten

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