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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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verräterische Tränen aus seinen Augenwinkeln.
    Ernst tupfte das Blut von den aufgefrischten Wundrändern der Nähte, dabei wischte er die Tränen mit einer beiläufigen Bewegung fort.
    „Sie werden die nächsten Tage unter Schmerzen leiden, doch ich rechne nicht mit Komplikationen. Mundschleimhaut und Zunge sind gut durchblutete Regionen, die sehr schnell heilen“, sagte er zuversichtlich. „Sie können hier liegen bleiben und schlafen“, bot er an.
    „Nein, wir nehmen ihn mit“, entschied Franz. „Die zwei Straßen schafft er heute noch.“
    „Du willst ihn deiner Wirtin präsentieren?“, fragte Ernst kopfschüttelnd.
    „Die ist nicht im Haus. Wir sind ungestört“, entgegnete Franz lakonisch.
    Ernst war Franz’ Abneigung verständlich, Lapérouse auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen, wo er sich als untauglich erwiesen hatte, auf den Mann achtzugeben.
    „Nun gut, wie du meinst“, lenkte er ein. „Ich sehe dann morgen nach ihm.“
    Er sah mit widersprüchlichen Gefühlen zu, wie die Offiziere seinen Patienten in ihre Mitte nahmen. Lapérouse erschien ihm teilnahmslos, was aber angesichts der durchlittenen Strapazen erklärlich war.
    Ernst reinigte schnell seine Instrumente, löschte die vielen Lichter und begleitete die Männer nach unten. Der Abschied war kurz. Als er die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ und der Schlüssel knirschend die alte Mechanik in Gang setzte, fiel die Anspannung von ihm ab, die ihn bisher auf den Beinen gehalten hatte. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und wischte sich über die Augen.
    Dann machte er sich auf den Heimweg. Er hoffte, noch ein paar Stunden Schlaf zu finden, obwohl Jacob Kägler auch am heutigen Tag nicht im Haus seines verstorbenen Vaters gesehen worden war.
     

Gratwanderung
     
    Franz erwachte mit peinigenden Kopfschmerzen. Er fand sich nur in eine Decke gewickelt auf den Dielen liegend wieder. Von seinem harten Lager und einem an- und abschwellenden Geräusch in seiner Nähe irritiert, setzte er sich ruckartig auf. Lapérouse schnarchte im Bett anderthalb Fuß über ihm.
    Die Erkenntnis, abrupte Bewegungen besser zu unterlassen, kam Franz allerdings zu spät. Er erstarrte und hielt mit beiden Händen seinen Schädel fest, der für sein pulsierendes Hirn zu klein geraten schien. Als das permanente Klopfen direkt unter der Schädeldecke etwas erträglicher wurde, erhob er sich vorsichtig.
    Lapérouse lag auf dem Rücken, es wäre ihm auch nicht möglich gewesen, eine andere Position einzunehmen. Seine Handgelenke waren links und rechts an das Eisengestell seiner Schlafstatt gefesselt worden. Der Mund stand ihm halb offen. Er schnarchte laut, was Franz in Anbetracht seiner Kopfschmerzen mächtig unverschämt fand. Überhaupt blieb es ihm rätselhaft, wie er bei der Geräuschkulisse hatte schlafen können.
    Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen, nicht nur aus Rücksicht auf den eigenen Kopf, er wollte Lapérouse noch nicht wecken.
    Notgedrungen hatte man zu zweit in dem Zimmer genächtigt, das Lapérouse in besseren Zeiten offiziell bewohnt hatte. Neben der Tür hing ein Spiegel. Franz schaute seinen Gewohnheiten folgend hinein und prallte entsetzt zurück. Die hässliche Fratze, die ihn aus schreckgeweiteten Augen anstarrte, sollte der gut aussehende junge Mann sein, der für gewöhnlich aus dem Spiegel herausschaute? Ungläubig betastete er sein Gesicht und zog eine schauerliche Grimasse, als er bei der Bestandsaufnahme seine Nase etwas zu unsanft berührte. Glücklicherweise knirschte und wackelte das Nasenbein nicht. Wahrscheinlich verbarg sich unter der grotesken Schwellung nur eine schmerzhafte Prellung. Die farbenprächtigen Schatten um seine Augen schillerten allerdings in allen möglichen Tönen von Schwarz-Blau bis Violett.
    Er warf Lapérouse einen finsteren Blick zu, doch dessen Antlitz sah nicht viel besser aus, was Franz in seinem Groll etwas Genugtuung verschaffte. Die Wangen des Schlafenden waren angeschwollen. Das Aristokratische, Würdevolle war aus seinen Zügen verschwunden. Sein linkes Jochbein und die Augenpartie schimmerten in ähnlichen Farben, wie die, die Franz im Spiegel hatte bewundern dürfen. Die frischen Wundnähte grenzten an den Bartansatz, wo eine Vielzahl schwarzer Stoppeln spross. Heute Morgen sah Lapérouse wie ein Strauchdieb aus. Von seinem Hemd, das bereits in Doberan einen Ärmel eingebüßt und in der Nacht für die Herstellung von Fesseln hatte herhalten müssen, war nur ein

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